Schenkung vs. Vertragsbindung
Wer durch Erbvertrag gebunden ist, möchte dies mitunter korrigieren durch eine Zuwendung unter Lebenden. Aber: Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, so kann der Vertragserbe, nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks verlangen (§ 2287 Abs. 1 BGB). Wer insoweit die "Segelanleitung" in einer neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) beachtet, kann vielleicht späteren Streit vermeiden.
Grundstück gegen Pflegepflicht
Der Kläger begehrte von der Beklagten, seiner Schwester, Zahlung von 60.000 EUR wegen einer beeinträchtigenden Schenkung. Ihre Eltern hatten sich mit Testament von 1995 wechselseitig zu Erben und die Kinder zu gleichen Teilen als Erben des Längstlebenden eingesetzt. Nach dem Tod der Mutter übertrug der Vater (Erblasser) mit Vertrag vom 26.1.1999 sein Hausgrundstück auf die Beklagte. Der damals 71-jährige Erblasser behielt sich an dem Grundstück ein lebenslanges Nießbrauchsrecht sowie ein unter näher genannten Voraussetzungen ausübbares vertragliches Rücktrittsrecht vor. Ferner verpflichtete sich die Beklagte, ihren Vater "Zeit seines Lebens in gesunden und kranken Tagen, jedoch nur bei Bedarf, in seiner Wohnung vollständig und unentgeltlich zu pflegen und zu betreuen bzw. ihn kostenlos pflegen und betreuen zu lassen". Der Verkehrswert des Grundstücks wurde mit 140.000 DM angegeben. Der Erblasser verstarb 2012. Er hatte bis kurz vor seinem Tod in dem Haus gewohnt, ohne pflegebedürftig geworden zu sein. Anschließend veräußerte die Beklagte das Grundstück für 120.000 EUR. Der Kläger nahm seine Schwester nun auf Zahlung von 60.000 EUR nebst Zinsen wegen der nach seiner Auffassung beeinträchtigenden Schenkung des Grundstücks in Anspruch. In 1. und 2. Instanz hatte die Klage Erfolg. Doch der BGH verwies die Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Prüfung zurück.
Auch bei Testament
Der BGH bestätigt zunächst seine ständige Rechtsprechung, nach der § 2287 BGB analog auch für den Ehegatten gilt, der nach dem Tod des anderen Partners an eine wechselbezügliche Verfügung von Todes wegen nach § 2271 Abs. 2 BGB gebunden ist.
Gemischte Schenkung
Allerdings war hier die Frage, ob wegen des vertraglich vereinbarten Nießbrauchs, des Rücktrittsvorbehalts und der Pflegeverpflichtung überhaupt eine Schenkung vorlag. Der Zweck der Vorschrift gebietet es, auch gemischte Schenkungen in den Anwendungsbereich einzubeziehen. In Betracht kommt dann ein teilweiser Herausgabeanspruch.
Berechnung
Der vorbehaltene Nießbrauch sei mit dem kapitalisierten Wert der hieraus zu ziehenden Nutzungen anzusetzen. Zur Kapitalisierung sei der jährliche Nettoertrag des Nießbrauchs mit der Lebenserwartung des Nießbrauchers auf der Grundlage des Vervielfältigungsfaktors gemäß Anlage 9 zu § 14 BewertungsG zu multiplizieren. Auf dieser Grundlage sei der Jahresnutzungswert des Nießbrauchs zu ermitteln, was noch nachgeholt werden müsse. Weiterhin müsse die übernommene Pflegeverpflichtung bewertet und als Gegenleistung in Abzug gebracht werden. Insoweit sei irrelevant, dass der Erblasser nie pflegebedürftig geworden sei; denn entscheidender Zeitpunkt für die Berechnung des Werts der vertraglich versprochenen Pflegeleistungen sei der Vertragsabschluss. Beachtlich sei dabei, von welchem möglichen Pflegeaufwand der Erblasser und die Beklagte bei Vertragsschluss ausgegangen seien. Auch hierzu fehlten noch Ermittlungen.
Schädigungsabsicht?
Außerdem hatte der Erblasser wegen der Pflegeverpflichtung möglicherweise ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Übertragung des Grundstücks gehabt, sodass eine Beeinträchtigungsabsicht zu verneinen wäre. Erforderlich hierfür ist, dass der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat. Ein solcher Missbrauch liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte.
Fazit
Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 2287 Abs. 1 BGB muss zwischen dem Vorliegen einer Schenkung einerseits und der Absicht des Erblassers, den Vertragserben zu beeinträchtigen, andererseits unterschieden werden. Ein in einem Grundstücksübertragungsvertrag vorbehaltener Nießbrauch sowie eine übernommene Pflegeverpflichtung sind bereits bei der Prüfung, ob eine (gemischte) Schenkung vorliegt, zu berücksichtigen.
(BGH, Urteil v. 28.9.2016, IV ZR 513/15, NJW 2017, S. 329 mit Anm. Keim, ferner Wellenhofer, JuS 2017, S. 889; Kanzleiter, LMK 2017, 385366)