Abgrenzung
Familiengerichtliche Verfahren sind auch deswegen kompliziert, weil häufig zwischen Verfahren nach den Regeln der ZPO (Familienstreitsachen, z. B. Zugewinnausgleich) und solchen nach der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, z. B. Ehewohnungssachen) unterschieden werden muss. So gilt der Anwaltszwang nur in ersteren (§ 114 Abs. 1 FamFG). Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens wird dies jedoch überlagert durch die Regelung über den Scheidungsverbund (§ 137 Abs. 2 FamFG). Ist ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit als Folgesache im Verbund zu entscheiden, herrscht der Anwaltszwang insgesamt. Doch wie ist es, wenn ein Ehegatte nach der Entscheidung durch das Familiengericht in einer Folgesache der freiwilligen Gerichtsbarkeit isolierte Beschwerde einlegt? Muss er sich dann durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen? Diese seit Langem streitige Frage hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
Falsche Belehrung
In einem Scheidungsverbundverfahren hatte das Familiengericht die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Den Verfahrensbeteiligten wurde die in Hessen gebräuchliche Rechtsbehelfsbelehrung des EDV-Programms erteilt, in der behauptet wurde, betreffend die Folgesache Versorgungsausgleich könne die Beschwerde auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden. Hiervon machte der in der Beschwerdeinstanz nicht mehr anwaltlich vertretene Ehemann Gebrauch und legte persönlich Beschwerde ein. Das Oberlandesgericht (OLG) hat daraufhin die Entscheidung über den Versorgungsausgleich abgeändert. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau, die die von dem Ehemann persönlich eingelegte Erstbeschwerde für unzulässig hält.
Gesetzesauslegung
Der BGH teilt diese Auffassung und entschied: Ehegatten müssen sich auch bei der Einlegung einer isolierten Beschwerde in einer Folgesache der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Zwar schließe der Wortlaut von § 64 Abs. 2 S. 1 und 2 FamFG es nicht aus, dass Ehegatten in Folgesachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle einlegen, sodass sie sich folgerichtig gem. § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG i. V. m. § 78 Abs. 3 ZPO bei der Einlegung der Beschwerde auch nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssten. Jedoch sei auf die Intention des Gesetzgebers abzustellen, wonach die Einlegung einer Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle in allen Fällen ausgeschlossen sein soll, in denen das Verfahren schon in erster Instanz als Anwaltsverfahren zu führen war.
Auf ein Neues!
Inzwischen war die Beschwerdefrist längst abgelaufen. Doch hatte erst die unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung den Beschwerdeführer auf die falsche Fährte gesetzt. Nun muss das OLG prüfen, ob dem Ehemann insoweit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Er kann dann seinen Sachantrag fristgerecht wiederholen.
(BGH, Beschluss v. 26.4.2017, XII ZB 3/16, NJW 2017 S. 2123 mit Anm. Bruns = FamRZ 2017, S. 1151 m. Anm. Fischer, ferner Stockmann, FamRB 2017, S. 290)