Alte Lasten – neue Sorgen
Versteckte Altlasten sorgen immer wieder für böse Überraschungen – und dann für gerichtliche Auseinandersetzungen. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) musste sich jüngst mit einem solchen Streitfall befassen und nahm dies zum Anlass für wichtige Klarstellungen.
Eine Firma hatte im Jahr 2007 von der Eigentümerin, der Bundesrepublik Deutschland, ein zum Bundeseisenbahnvermögen (BEV) gehörendes, 15.000 qm großes Grundstück für rund 130.000 EUR gekauft. Die Sachmängelhaftung wurde vertraglich ausgeschlossen. Ferner wurde ausdrücklich geregelt, dass das BEV keine Garantie für die Freiheit des Kaufgegenstands von (näher definierten) Altlasten oder eines hierauf gerichteten Verdachts abgibt. Ferner erklärte das BEV in dem Vertrag, dass "ihm nichts darüber bekannt ist und dass ihm auch keine Anhaltspunkte vorliegen, die darauf hinweisen könnten, dass auf der Kauffläche umweltschädigende Stoffe abgelagert oder eingesickert wären. Garantien werden nicht abgegeben." Die Erwerberin nutzte das Grundstück, das erst für den Bahnbetrieb verwendet und später an einen Schrotthandel vermietet war, zunächst als Abstellfläche für Lastkraftwagen. Im Jahr 2012 wollte sie es bebauen und stellte dabei eine erhebliche Bodenbelastung fest. Daraufhin klagte sie gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Rückabwicklung des Vertrags und Zahlung von Schadensersatz. Der Klage hat das Landgericht stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin wurde die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG Schleswig zurückverwiesen.
Neue Prüfung
Nach Meinung des BGH können auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen weder der geltend gemachte Rückabwicklungsanspruch (§ 437 Nr. 2, §§ 323, 346 BGB) noch der Schadensersatzanspruch (§§ 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB) verneint werden.
Kontamination
Allerdings bestünden keine Ansprüche, die sich aus der Kontamination des Bodens als solcher ergeben. Mangels gegenteiliger Feststellungen sei zwar davon auszugehen, dass das Grundstück bereits bei Gefahrübergang kontaminiert und damit mangelhaft war. Insoweit könne sich die Beklagte aber auf den vertraglich vereinbarten Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen. § 444 BGB stehe dem nicht entgegen. Ein arglistiges Verschweigen der konkreten Kontamination setze nämlich in subjektiver Hinsicht voraus, dass die Beklagte von dieser Kenntnis hatte oder sie zumindest für möglich hielt. Das sei hier zu Recht verneint worden.
Frühere Grundstücksnutzung als Mangel
Jedoch könne die frühere Nutzung des Grundstücks als Bahnbetriebsgelände durchaus einen Sachmangel darstellen: Zwar ist nicht jedes Grundstück, dessen Nutzung als Industriegelände schon Jahrzehnte zurückliegt, von vornherein als altlastenverdächtig einzustufen. Anders liegt es aber, wenn die frühere Nutzung die Gefahr von erheblichen Schadstoffbelastungen begründet. Ein darauf beruhender Sachmangel ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt worden für die frühere Nutzung als wilde Müllkippe, als Deponie, als Werksdeponie in den 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts oder als Tankstelle. Ob hier das Grundstück in der Vergangenheit auf eine solche Weise genutzt worden ist oder nicht, lasse sich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht beurteilen. Insoweit müsse ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.
Ursächlichkeit des Verschweigens
Dass das OLG die Klage mangels Kausalität eines etwaigen Verschweigens für den Willensentschluss der Klägerin für unbegründet hält, weil der Vater des jetzigen Geschäftsführers der Verwaltungsgesellschaft der Klägerin Kenntnis von dem Bahnbetrieb gehabt haben müsse, sei aus mehreren Gründen rechtsfehlerhaft.
Hinweis des BGH
Für das weitere Verfahren weist der BGH auf Folgendes hin: Bei einer Täuschung durch Verschweigen eines offenbarungspflichtigen Mangels handelt arglistig im Sinne von § 444 BGB, wer einen Sachmangel mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Vertragsgegner den Sachmangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte. Die Ursächlichkeit der Arglist für den Kaufentschluss ist im Rahmen von § 444 BGB unerheblich; diese Bestimmung soll den Käufer allein vor einer unredlichen Freizeichnung des Verkäufers schützen.
(BGH, Urteil v. 8.7.2016, V ZR 35/15)