Tücken im Kleingedruckten
Die Restschuldbefreiung, mit denen ein redlicher Schuldner im Interesse eines wirtschaftlichen Neuanfangs seine Verbindlichkeiten loswerden kann, ist ein Kernstück der Insolvenzordnung. Kann der Schuldner auf diesen Vorteil vertraglich verzichten?
Die Klägerin hatte Heizöl an den Beklagten geliefert. Dieser war nicht in der Lage, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. Das von der Klägerin beauftragte Inkassobüro veranlasste den Beklagten nicht nur, in Formularurkunden den geschuldeten Betrag gegenüber der Klägerin anzuerkennen, sondern auch, dass es sich bei den Forderungen um solche aus einer unerlaubten Handlung handelt und diese nicht an einer möglichen Restschuldbefreiung teilnehmen.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldete die Klägerin die offenen Forderungen als Deliktsforderung zur Insolvenztabelle an. Die Forderungen wurden festgestellt. Der Beklagte widersprach dem Schuldgrund einer unerlaubten Handlung. Mit der Feststellungsklage wollte die Klägerin den Widerspruch des Beklagten überwinden und erreichen, dass die Forderungen solche aus einer unerlaubten Handlung darstellen (Hauptantrag) oder dass diese Forderungen nicht bei einer Restschuldbefreiung teilnehmen (Hilfsantrag).
Schutz des Schuldners
Doch der Bundesgerichtshof (BGH) entschied: Der vollständige oder teilweise Verzicht auf die Wirkungen der Restschuldbefreiung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist unwirksam. Bei den Anerkenntnissen handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen i. S. v. § 305 BGB. Der Umstand, dass es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft handele, sei unerheblich. Diese Klauseln seien unwirksam, da sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von denen abgewichen werde, nicht zu vereinbaren seien und den Schuldner daher unangemessen benachteiligten. Durch die Regelung werde zum einen von § 1 Satz 2 Insolvenzordnung (InsO) abgewichen, in dem die Restschuldbefreiung des redlichen Schuldners als ein Verfahrensziel festgehalten sei.
Ferner sei in der weiteren Klausel, nach der die Forderung des Klägers als eine Deliktsforderung anerkannt werde, ein Verstoß gegen wesentliche Grundgedanken der Restschuldbefreiung und des § 302 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu sehen. Zu diesen gehöre die gesetzliche Beschränkung der Forderungen, die von der Restschuldbefreiung ausgenommen seien. Mit der Beschränkung dieser Forderungen soll die Nachhaftung des Schuldners so weit eingeschränkt werden, dass dessen wirtschaftlicher Neuanfang und auch die Befriedigungsaussichten der Neugläubiger nicht gefährdet werden. Eine Qualifikation einer Forderung als Deliktsforderung sei mit diesem Grundsatz nicht zu vereinbaren, da dies auf eine mögliche unbeschränkte Nachhaftung hinauslaufe.
AGB unwirksam
Zudem könne der Schuldgrund einer Deliktsforderung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vereinbart werden, da dieser Tatsachen zugrunde liegen, die nicht für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert werden können.
Einzelabrede ebenfalls
Hinweis: Hier konnte offen bleiben, ob ein Schuldner in einer individualvertraglichen Regelung auf die Wirkungen der Restschuldbefreiung verzichten und eine Forderung als Deliktsforderung anerkennen kann. Doch dürfte auch dies aus den vom BGH genannten Gründen unzulässig sein.
(BGH, Urteil v. 25.6.2015, IX ZR 199/14 (LG Kassel), dazu Eckhoff, FD-InsR 2015, 372618)