Leitsatz
- Aufwendungen einer Krankenschwester für einen Lehrgang mit dem Ziel, Lehrerin für Pflegeberufe zu werden, sind als Werbungskosten anzuerkennen.
- Eine Bildungseinrichtung ist als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen, wenn diese häufig über einen längeren Zeitraum hinweg zum Zwecke eines Vollzeitunterrichts aufgesucht wird.
Sachverhalt
Eine 1967 geborene Krankenschwester nahm von Oktober 1995 bis September 1997 an einer privaten Krankenpflege-Hochschule an einem Lehrgang teil, um Unterrichtsschwester mit Lehr- und Leitungstätigkeiten zu werden. Sie machte im Streitjahr 1995 bei einem Arbeitslohn von 45091 DM zuletzt Werbungskosten für Fortbildung von 6169 DM geltend (Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwendungen, Arbeitsmittel, Studiengeld), von denen das Finanzamt nur 900 DM als Sonderausgaben berücksichtigte. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Auf die Revision des Finanzamts bestätigte der BFH das FG dem Grunde nach, kürzte aber Fahrtkosten um 602 DM und Verpflegungsmehraufwendungen.
Entscheidung
Das FG hatte Fortbildungskosten noch mit der Begründung angenommen, die Klägerin habe ihren Beruf nicht gewechselt, sondern bleibe Krankenschwester, nur in qualifizierter Form. Dies spielt nach der neuen Rechtsprechung des BFH zu Aus- und Fortbildung keine Rolle mehr, da es nur noch darauf ankommt, ob die Bildungsmaßnahme bezweckt, Erwerbseinnahmen zu erzielen. Das ist hier der Fall, weil der Lehrgang dazu dient, mit den erworbenen Kenntnissen beruflich voranzukommen und als Lehrerin für Pflegeberufe bzw. Leiterin im Pflegebereich tätig zu sein. Hinsichtlich der Kostenhöhe knüpft der BFH an sein Urteil vom 29.4.2003 an, nach welchem auch eine Bildungseinrichtung regelmäßige Arbeitsstätte des Steuerpflichtigen sein kann, wenn es sich um den ortsgebundenen Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit (hier: Lehrgang) handelt. Das wurde im Streitfall bejaht, weil der zweijährige Lehrgang mit Vollzeitunterricht allein von Oktober bis Dezember 1995 Fahrten an 59 Tagen, also fast arbeitstäglich, erforderte. Das hat zur Folge, dass die Fahrtkosten nicht nach Dienstreisegrundsätzen, sondern nur mit der Entfernungspauschale des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zu berechnen waren. Außerdem entfallen an der regelmäßigen Arbeitsstätte Verpflegungspauschalen, auch wenn es daneben noch eine weitere regelmäßige Arbeitsstätte gibt.
Praxishinweis
Während im Pilotfall zur Höhe der Fahrtkosten bei Bildungsmaßnahmen nur die rechtlichen Grundsätze entwickelt wurden und zur Anwendung im Einzelfall an das FG zurückverwiesen wurde, konnte der BFH hier durcherkennen, weil die Feststellungen des FG dazu ausreichten. Da die Rechtsgrundsätze veröffentlicht sind, werden die FG künftig hierzu abschließend entscheiden können, es sei denn, es stellt sich zu Details (z.B. Abgrenzung regelmäßige Arbeitsstätte von wechselnden Einsatzstellen) noch Klärungsbedarf heraus.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.07.2003, VI R 190/97