Leitsatz
Beantragen Eheleute innerhalb der Frist für einen Einspruch gegen den Zusammenveranlagungsbescheid die getrennte Veranlagung oder die besondere Veranlagung im Jahr der Eheschließung, ist das Finanzamt bei der daraufhin für jeden durchzuführenden getrennten oder besonderen Veranlagung an die tatsächliche und rechtliche Beurteilung der Besteuerungsgrundlagen im Zusammenveranlagungsbescheid gebunden. Den Zusammenveranlagungsbescheid hat es aufzuheben.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtige (Ehefrau) wurde im Januar 2000 geschieden und heiratete im Oktober 2000 erneut. Mit ihrem neuen Ehemann beantragte sie für 2000 die Zusammenveranlagung. Dabei machten die Eheleute u.a. Prozesskosten der Ehefrau wegen des Zugewinnausgleichs aus Anlass ihrer Scheidung in Höhe von 12000DM als außergewöhnliche Belastung geltend, die das Finanzamt mit der Folge anerkannte, dass sich keine Steuer ergab.
Innerhalb der Einspruchsfrist beantragten die Eheleute die besondere Veranlagung für das Jahr der Eheschließung nach §26c EStG. Das Finanzamt hob darauf den Zusammenveranlagungsbescheid auf und setzte gegenüber dem Ehemann die Steuer auf nullDM fest, da er keine Einkünfte erzielte. Für die Ehefrau ergab sich eine Steuerschuld von rund 3000DM. Das Finanzamt hatte bemerkt, dass es die Prozesskosten wegen des Zugewinnausgleichs bei der Zusammenveranlagung zu Unrecht als außergewöhnliche Belastung anerkannt hatte und ließ diesen Betrag bei der Einzelfestsetzung gegenüber der Ehefrau nicht mehr zum Abzug zu. Es war der Meinung, bei der Durchführung der besonderen Veranlagung müsse es die Besteuerungsgrundlagen erneut und in vollem Umfang überprüfen.
Entscheidung
Der BFH ist anderer Auffassung. Die Wahl der besonderen Veranlagung für das Jahr der Eheschließung und ebenso die getrennte Veranlagung haben lediglich zur Folge, dass die Sachverhalte und Beträge den Ehegatten nach den Regeln der §§26a, 26c EStG zuzurechnen sind, d.h., die Einkünfte werden jedem Ehegatten zugerechnet. Außergewöhnliche Belastungen sind bei der getrennten Veranlagung bei beiden Ehegatten zur Hälfte abzuziehen. Bei der besonderen Veranlagung werden die Eheleute so behandelt, als ob sie die Ehe nicht geschlossen hätten, d.h. außergewöhnliche Belastungen werden nur bei dem Ehegatten berücksichtigt, bei dem sie angefallen sind. Im Übrigen bleiben die Besteuerungsgrundlagen unberührt. Das Finanzamt ist bei der erneuten Veranlagung an sie gebunden. Es muss von den bisherigen Besteuerungsgrundlagen ausgehen und darf nur Änderungen vornehmen, die mit den Zuordnungsregeln der geänderten Veranlagungsart zusammenhängen. Die Revision der Ehefrau hatte daher Erfolg. Die vom Finanzamt bei der Zusammenveranlagung zu Unrecht als außergewöhnliche Belastung anerkannten Prozesskosten der Ehefrau mussten auch bei der besonderen Veranlagung berücksichtigt werden.
Praxishinweis
Die Wahl einer anderen Veranlagungsart steht den Eheleuten – von rechtsmissbräuchlicher oder willkürlicher Antragstellung abgesehen – bis zur Unanfechtbarkeit eines Einkommensteuerbescheids zu. Die Bindung des Finanzamts an die Besteuerungsgrundlagen, wie sie bei der bisherigen Steuerfestsetzung berücksichtigt wurden, gilt aber nur, wenn sich die Eheleute auf die Wahl der geänderten Veranlagungsart beschränken. Nur dann gehen sie kein Risiko ein, dass das Finanzamt die bisherigen Besteuerungsgrundlagen bei der erneuten Veranlagung erneut prüft. Anders verhält es sich, wenn Einspruch eingelegt und das Veranlagungswahlrecht im Rahmen des Einspruchsverfahrens erneut ausgeübt wird. Das Finanzamt ist dann grundsätzlich befugt, die Veranlagung in vollem Umfang erneut durchzuführen und – nach entsprechendem Hinweis – auch zu "verbösern". Der BFH hebt hervor, dass das Begehren auf Änderung der Veranlagungsart allein nicht als Anfechtung (Einspruch) zu verstehen ist.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 3.3.2005, III R 60/03