Dipl.-Finw. (FH) Walter Niermann
Leitsatz
Hat der Arbeitgeber eine Anrufungsauskunft eingeholt und ist er danach verfahren, ist das Betriebsstätten-FA im Lohnsteuer-Abzugsverfahren daran gebunden. Eine Nacherhebung der Lohnsteuer ist auch dann nicht zulässig, wenn der Arbeitgeber nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung einer Pauschalierung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zugestimmt hat.
Problematik
Im Urteilsfall ging es um die lohnsteuerliche Bewertung von Freiflügen und verbilligten Flügen der Arbeitnehmer eines Flugunternehmens. Im Rahmen einer Anrufungsauskunft hatte das Betriebsstättenfinanzamt die Bewertung mit 50 % der bestehenden Durchschnittswerte bestätigt. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung beabsichtigte das Finanzamt aufgrund geänderter Rechtsauffassung, die Arbeitnehmer über Kontrollmitteilungen an die Wohnsitzfinanzämter in Anspruch zu nehmen. Daraufhin erklärte sich der Arbeitgeber bereit, die Mehrsteuern im Wege der Lohnsteuer-Pauschalierung nach § 40 EStG zu übernehmen, ohne den Rechtsstandpunkt des Finanzamts anzuerkennen.
Entscheidung des BFH
Der BFH entschied, dass sich die Bindungswirkung der Lohnsteuer-Anrufungsauskunft auch auf die Lohnsteuer-Pauschalierung nach § 40 EStG erstreckt. Ansonsten würde der Sinn und Zweck der Anrufungsauskunft, den Arbeitgeber vor finanziellen Risiken zu schützen, die sich aus seiner Lohnsteuerabzugsverpflichtung ergeben, unterlaufen. Auch der Umstand, dass die Nacherhebung der Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz einen entsprechenden Antrag des Arbeitgebers voraussetzt, berührt nach Auffassung des Gerichts nicht den mit der Anrufungsauskunft bewirkten Vertrauenstatbestand.
Konsequenzen für die Praxis
Hat der Arbeitgeber eine Anrufungsauskunft eingeholt und ist er danach verfahren, ist das Betriebsstätten-Finanzamt im Lohnsteuer-Abzugsverfahren an die erteilte Auskunft gebunden. Das gilt unabhängig davon, ob die Anrufungsauskunft materiell zutreffend oder aber fehlerhaft war. In einem solchen Fall ist eine Nacherhebung der Lohnsteuer beim Arbeitgeber selbst dann unzulässig, wenn dieser – wie im Urteilsfall – auf faktischen Druck seiner Belegschaft nach einer Außenprüfung einer Pauschalierung der Lohnsteuer zugestimmt hat. Die Lohnsteuerpauschalierung nach einer Außenprüfung auf Antrag des Arbeitgebers setzt voraus, dass die Firma die Lohnsteuer in einer größeren Zahl von Fällen nicht vorschriftsmäßig einbehalten hatte. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber nach der erteilten Anrufungsauskunft verfahren ist. Hier kann sich der Fiskus nur an die einzelnen Arbeitnehmer halten und versuchen, seinen Steueranspruch dort zu realisieren, soweit dies verfahrensrechtlich (noch) möglich ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 16.11.2005, VI R 23/02, DB 2006 S. 255