Leitsatz
Ein Steuerpflichtiger, der eine von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte sog. Unternehmerbescheinigung i.S. des § 61 Abs. 3 UStDV 1993 vorlegt, ist nur dann nicht als in diesem Mitgliedstaat ansässig anzusehen, wenn gewichtige Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit der Bescheinigung sprechen.
Sachverhalt
Eine GmbH mit "erklärtem Sitz" am Geschäftssitz der Steuerberatungsgesellschaft D in Luxemburg ist dort im Handelsregister eingetragen, hat eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, unter der sie ihre Geschäftstätigkeit abwickelt, und wird dort unter einer Steuernummer geführt. Sie hat ferner eine Bescheinigung der luxemburgischen Finanzverwaltung über ihre unbeschränkte Steuerpflicht vorgelegt. Die GmbH führt mit ihrem Schiff grenzüberschreitende Transporte auf Gewässern in Luxemburg, der Schweiz, den Niederlanden, Belgien, Frankreich und der Bundesrepublik durch. Im Streitjahr 1996 wurde das Schiff ganz überwiegend auf dem Rhein eingesetzt, z.B. zwischen Karlsruhe und Wesseling. Heimathafen des Schiffes ist G in Luxemburg. Alleiniger Geschäftsführer der GmbH ist W, der zugleich Kapitän des Schiffes ist. Anteilseigner sind W und seine Ehefrau, die in der Bundesrepublik ihren Wohnsitz haben. Der Geschäftsführer befand sich 1996 an 211 Tagen an Bord des Schiffes.
Der Rechnungsverkehr sowie alle Verwaltungsaufgaben werden von der Steuerberatungsgesellschaft D am angegebenen Firmensitz in Luxemburg abgewickelt. Andere Geschäftsführungsmaßnahmen, z.B. die Abwicklung der einzelnen Aufträge, erledigt der Geschäftsführer an Bord des Schiffes. Dort ist er auch telefonisch erreichbar. Auf den Geschäftsbriefen der GmbH sind die Telefonnummern der D und das Bordtelefon des Schiffes vermerkt. Daneben befand sich – als Privatanschrift gekennzeichnet – die private Telefonnummer des Geschäftsführers.
1997 beantragte die GmbH beim BfF für 1996 die Vergütung von Vorsteuerbeträgen nach den §§ 59 ff. UStDV 1993. Dem Antrag war eine dem Muster im Anhang B der 8. RL entsprechende Bescheinigung beigefügt. Das BfF lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die GmbH sei nicht im Ausland ansässig, weil sie nicht nachgewiesen habe, dass sich der Ort ihrer Geschäftsleitung im Ausland befinde. Das FG wies die Klage ab, weil nicht festgestellt werden könne, dass sich die Geschäftsleitung der GmbH nicht im Inland befunden habe; der Mittelpunkt der Geschäftsleitung i.S. des § 10 AO habe im Inland gelegen, weil sich das Schiff im Streitjahr überwiegend in der Bundesrepublik befunden habe.
Entscheidung
Die Revision der GmbH hatte Erfolg. Das FG hatte zu Unrecht die Ansässigkeit der GmbH im Ausland damit verneint, dass sie ihre Geschäfte im Wesentlichen vom Schiff aus geleitet habe. Der Begriff "ansässig" i.S. von § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG ist für das Vorsteuer-Vergütungsverfahren für "im Ausland ansässige Unternehmer" entgegen der Ansicht des FG nicht anhand von § 10 AO, sondern anhand des Gemeinschaftsrechts auszulegen. Gemäß Art. 1 der 8. RL gilt als nicht im Inland ansässiger Steuerpflichtiger nach Art. 4 Abs. 1 der 6. RL, wer in diesem Gebiet "weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind, noch – in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer festen Niederlassung – seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort gehabt hat".
Nach dem Zweck des gemeinschaftsrechtlichen Vergütungsverfahrens darf ein Mitgliedstaat einen Steuerpflichtigen, der eine von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte sog. Unternehmerbescheinigung i.S. des § 61 Abs. 3 UStDV vorlegt, nur dann nicht als in diesem Mitgliedstaat ansässig ansehen, wenn gewichtige Anhaltspunkte gegen die Richtigkeit der Bescheinigung sprechen. An solchen Anhaltspunkten fehlt es im Streitfall. Vielmehr spricht einiges für eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit von Luxemburg aus. So werden beispielsweise die Verwaltungsangelegenheiten der GmbH durch D in Luxemburg abgewickelt, deren Luxemburger Telefonnummer auch auf den Geschäftsbriefen der GmbH vermerkt ist.
Praxishinweis
Anders als im letzten Urteil zur Ansässigkeitsfrage entschied der BFH selbst, ohne an das FG zur Frage von Anknüpfungspunkten zur Ansässigkeit zurückzuverweisen. Er machte hier mit der Bindungswirkung der sog. Unternehmerbescheinigung nach § 61 Abs. 3 UStDV ernst, in der der "andere Mitgliedstaat" die Ansässigkeit des Unternehmers vermerkt. Deren Indizwirkung kann nur durch entgegenstehende Tatsachen – z.B. anderslautende Auskünfte aus dem Mitgliedstaat – entkräftet werden. Man muss sich wohl auch hier darauf einstellen, dass die im gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystem vorgesehenen Bescheinigungen eines Mitgliedstaats auch in den anderen Mitgliedstaaten die selbe rechtliche Wirkung haben und keine gegenläufigen eigenen rechtlichen Wertungen, z.B. über den gemeinschaftsrechtlich verwendeten Begriff der "Ansässigkeit", zulassen. Das FG hatte dies bei seiner Prüfung nach der AO nicht beachtet.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 2...