Leitsätze (amtlich)

  1. Zahlungen aufgrund einer Bürgschaftsinanspruchnahme können zu nachträglichen Anschaffungskosten i. S. von § 17 EStG führen, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist nur dann gegeben, wenn und insoweit die Übernahme der Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter hat. Die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis kann nicht allein aus der Unentgeltlichkeit einer Bürgschaftsübernahme gefolgert werden.
  2. Verlängert der Gesellschafter nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft eine zuvor übernommene und bereits eigenkapitalersetzend gewordene Bürgschaft und besteht die Krise der Gesellschaft auch noch nach seinem Ausscheiden fort, so können Zahlungen aufgrund der späteren Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zu nachträglichen Anschaffungskosten i. S. von § 17 EStG führen.
 

Sachverhalt

Der Kläger war mit 50 % an der I-GmbH beteiligt. 1985 nahm die GmbH bei der K-Bank ein Darlehen über 640 000 DM auf. Für dieses Darlehen übernahm der Kläger am 8.11.1985 unentgeltlich eine Bürgschaft. Die GmbH befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Am 5.12.1988 übertrug der Kläger seine Beteiligung an der I-GmbH zum Kaufpreis von 1 DM an D. 1990 ging die GmbH in Konkurs. 1992 nahm die Bank den Kläger als Bürgen i.H. von rd. 67 000 DM in Anspruch. Realisierbare Rückgriffsansprüche des Klägers gegen die GmbH oder gegen Dritte bestanden nicht. Das Finanzamt berücksichtigte diese Bürgschaftszahlungen im Rahmen der ESt-Veranlagung des Klägers für das Streitjahr 1988 nicht als nachträgliche Anschaffungskosten auf die GmbH-Beteiligung. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt[1]. Die Revision des Finanzamts führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG.

 

Entscheidungsgründe

  1. Der Senat geht mit den Beteiligten davon aus, dass der Verkehrswert der im Dezember 1988 übertragenen GmbH-Anteile den vereinbarten Kaufpreis von 1 DM nicht überstieg, so dass es sich bei der Übertragung der Anteile um ein vollentgeltliches Geschäft und damit um eine Veräußerung i. S. von § 17 Abs. 1 EStG handelte[2].
  2. Die Bürgschaftsübernahme ist im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH eigenkapitalersetzend, wenn die Bürgschaft zu einem Zeitpunkt übernommen wird, in dem sich die Gesellschaft bereits in der Krise befindet oder wenn die Bürgschaft (auch) für den Fall der Krise bestimmt ist[3]. Diesen in der Krise übernommenen Bürgschaften und krisenbestimmten Bürgschaften stehen die sog. Finanzplanbürgschaften gleich, die vom Gesellschafter im Rahmen eines erkennbaren Finanzplans übernommen worden sind. Weiterhin kann eine Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter erlangen, wenn sie zu einem Zeitpunkt übernommen wurde, in dem sich die Gesellschaft noch nicht in der Krise befand, sie aber bei Eintritt der Krise stehengelassen wird. Hingegen setzt die Anerkennung nachträglicher Anschaffungskosten aufgrund der Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft nicht einen als Einlage zu qualifizierenden Verzicht des Gesellschafters voraus[4].

Entgegen der Auffassung des FG kann die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis nicht allein aus der Unentgeltlichkeit der Bürgschaftsübernahme gefolgert werden. Zwar wird nach der überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung der FG, der Finanzverwaltung und der Literatur schon allein die unentgeltliche Übernahme einer Bürgschaft als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst angesehen[5]. Begründet wird dies vorwiegend damit, dass ein fremder Dritter ohne Entgelt und ohne gesicherten Rückgriffsanspruch nicht bereit wäre, das Bürgschaftsrisiko einzugehen. Der Senat folgt dieser Auffassung nicht. Die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist allein danach zu bestimmen, ob die Finanzierungsmaßnahme eigenkapitalersetzenden Charakter hat. Entscheidendes Tatbestandsmerkmal im Kapitalersatzrecht ist die in § 32a Abs. 1 GmbHG genannte "Krise". Die Krise wird danach als der Zeitpunkt definiert, in dem die Gesellschafter der Gesellschaft "als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten". Ob die Gesellschaft in eine Krise geraten ist, insbesondere ob sie noch als kreditwürdig anzusehen ist, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Nur in diesem Zusammenhang, d. h. bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals "Krise", kann den Konditionen der Finanzierungsmaßnahme und damit auch der Unentgeltlichkeit einer Bürgschaftsübernahme Bedeutung zukommen. Zu Unrecht hat das FG aber das Vorliegen einer Krise der GmbH und damit den eigenkapitalersetzenden Charakter der Finanzierungshilfe des Klägers nicht geprüft, sondern statt dessen allein aus der Unentgeltlichkeit der Bürgschaftsübernahme eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis gefolgert.

Das FG wird im zweiten Rechtsgang prüfen müssen, ob und gegebenenfalls von welchem Zeitpunkt an die vom Kläger übernommene Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter hatte. Ein eigen-kapi...

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