Alexander C. Blankenstein
Grundsätzlich ist die Kündigung des Mietverhältnisses auch dann möglich, wenn sich der Vermieter zwar den Vorwurf einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit gefallen lassen muss, jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht gewahrt wird. Über die Kündigung ist dabei unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Neben dem Verhalten des Angezeigten ist zu prüfen, ob die Anzeige im Rahmen der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder in Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten erfolgt ist oder zur Wahrung eigener Interessen. Zweifellos fehlt es an der Verhältnismäßigkeit, wenn der Mieter die Anzeige nicht zur Wahrung eigener Interessen erstattet, sondern um dem Vermieter Schaden zuzufügen.
Hierzu gehören die Fälle, in denen der Mieter eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit des Vermieters anzeigt, von der er selbst nicht betroffen ist.
Der Vermieter hatte im Rahmen der Zwangsvollstreckung eines seiner Gläubiger die eidesstattliche Versicherung abgegeben (heute: Vermögensauskunft). Darin hatte er wahrheitswidrig angegeben, er sei arbeitslos. Dies hatte ein Mieter erfahren und Strafanzeige gegen den Vermieter erstattet. Der Vermieter kündigte daraufhin das Mietverhältnis außerordentlich fristlos. Die Kündigung war rechtmäßig.
Zu berücksichtigen war, dass keinerlei Zusammenhang zwischen der Falschangabe und dem Mietverhältnis bestanden hatte. Außerdem beruhte die Strafanzeige auf der gezielten Verwertung einer Information, auf die grundsätzlich nur ein Zwangsvollstreckungsgläubiger unter engen Voraussetzungen Zugriff hat. Der Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liegt in diesen Fällen im denunziatorischen Charakter der Anzeige. Maßgeblich ist, ob die Anzeige nach den Gesamtumständen angemessen ist. Eine fristlose Kündigung ist in derartigen Fällen also möglich, wenn die Anzeige aus Böswilligkeit oder aus nichtigem Anlass erstattet worden ist oder wenn ein Vertragspartner ohne hinreichenden Anlass gegen den anderen Vertragspartner bei den Behörden agiert.
Andererseits stellt eine Strafanzeige, der eine im Kern zutreffende Sachverhaltsschilderung zugrunde liegt, keine schwere Vertragsverletzung dar, die eine fristlose Kündigung rechtfertigt.
Der Vermieter hatte bereits wiederholt versucht, sich Zugang zur Wohnung der berufstätigen und tagsüber abwesenden Mieterin über deren Tagesmutter zu verschaffen. Die Mieterin ließ dem Vermieter ein Schreiben zukommen, dass er ohne Terminabsprache nicht berechtigt sei, sich Zugang zur Wohnung zu verschaffen. Der Vermieter versuchte es erneut und schob sich an der Tagesmutter vorbei in die Wohnung. Die Mieterin erstattete Strafanzeige gegen den Vermieter. Daraufhin kündigte der Vermieter das Mietverhältnis außerordentlich fristlos. Die Kündigung war unrechtmäßig und somit unwirksam.
Ob sich nun im Beispielsfall tatsächlich herausgestellt hatte, dass im Verhalten des Vermieters ein strafbarer Hausfriedensbruch zu sehen war oder nicht, kam es nicht an. Aufgrund des Vermieterverhaltens war die Mieterin berechtigt, die Angelegenheit staatsanwaltlich überprüfen zu lassen. Grundsätzlich stellt die Strafanzeige des Mieters gegen den Vermieter noch keinen Verstoß gegen die mietvertragliche Treuepflicht dar, wenn der Mieter mit der Strafanzeige keine den Vermieters schädigende Absicht verfolgt, sondern lediglich eine unzutreffende rechtliche Würdigung des Sachverhalts vornimmt und eigene Interessen wahrnimmt, weil er sich als Opfer einer Straftat des Vermieters sieht.