Im Bereich der Wohnraummiete steht dem Insolvenzverwalter gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO nicht das Recht auf Kündigung des Mietverhältnisses zu. Stattdessen bleibt ihm aber das Recht zu erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf der Kündigungsfrist des § 109 Abs. 1 Sazt 1 fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Diese sog. Enthaftungserklärung hat zur Folge, dass nach erfolgter Erklärung und Fristablauf keine Forderungen mehr gegen die Masse bzw. den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden können, sondern ausschließlich gegen den (insolventen) Mieter.

Voraussetzung für eine Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO ist, dass der Schuldner ein Mietverhältnis über von ihm und ggf. seiner Familie zu nutzenden Wohnraum eingegangen ist. Auf eine ausschließlich für Familienangehörige angemietete Wohnung findet die Bestimmung nach überwiegender Ansicht keine Anwendung. Bei Mischmietverhältnissen wird entsprechend den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen auf den nach dem Parteiwillen zu ermittelnden Vertragsschwerpunkt abgestellt.[1]

 
Achtung

Genossenschaftsanteile

Gemäß § 66a GenG kann der Insolvenzverwalter das Kündigungsrecht des genossenschaftlichen Schuldners an dessen Stelle ausüben. Allerdings ist dieses Kündigungsrecht nach § 67c Abs. 1 GenG ausgeschlossen, wenn die Genossenschaftsmitgliedschaft Voraussetzung für die Nutzung der betreffenden Wohnung ist und der Geschäftsanteil höchstens das Vierfache des monatlichen Nutzungsentgelts ohne Betriebskostenvorauszahlung bzw. -pauschale oder höchstens 2.000 EUR beträgt.

Im Hinblick auf die Kündigungsfrist ist wiederum zu berücksichtigen, dass diese kürzer sein kann als die in § 109 Abs. 1 InsO vorgesehene.

 
Praxis-Beispiel

Der Insolvenzverwalter erklärt am 1. September die Enthaftung der Wohnung. Die Enthaftung würde nach der Frist des § 109 Abs. 1 InsO am 31. Dezember wirksam. Für die ordentliche Kündigung von Wohnraummietverhältnissen gilt jedoch die Bestimmung des § 573c Abs. 1 BGB. Hiernach kann der Mieter das Mietverhältnis jeweils zum dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats kündigen. Die Enthaftung wird also bereits mit Ablauf des 30. November wirksam.

Im Bereich des Wohnraummietrechts ist zwar grundsätzlich die Bestimmung des § 573c Abs. 1 BGB zu beachten. Hiernach kann der Mieter das Mietverhältnis jeweils zum 3. Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats kündigen, wenn das Mietverhältnis noch keine 5 Jahre bestanden hat. Bei länger andauernden Mietverhältnisse verlängert sich die Kündigungsfrist bis auf knapp neun Monate. Diese Bestimmung gilt allerdings nicht im Fall der Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters. Anwendbar ist hier vielmehr die Bestimmung des § 573d Abs. 2 BGB, die die Kündigungsfrist bei eine außerordentlichen Kündigung mit gesetzlicher Frist regelt. Unabhängig davon also, wie lange das Wohnraummietverhältnis bereits andauerte, kann die Enthaftungserklärung am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats erklärt werden.

Hinsichtlich der Wirkungen der Enthaftungserklärung hat der BGH[2] geklärt, dass mit ihr der Mietvertrag vollständig freigegeben wird. Er unterliegt wieder vollständig dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Mieters. Nur dieser kann also kündigen, die Vermieterkündigung ist dem Mieter gegenüber zu erklären. Ihm allein stehen auch die Forderungen zu, etwa auf Auszahlung eines Betriebskostenguthabens oder der Kaution.[3] Die Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters hat demnach im Überblick folgende Wirkungen:

  • Die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis betreffend das Mietverhältnis geht in vollem Umfang vom Insolvenzverwalter wieder auf den Mieter über[4];
  • für eine Klage gegen den Vermieter auf Auszahlung eines nach der Enthaftungserklärung entstandenen Nebenkostenguthabens fehlt dem Insolvenzverwalter die Prozessführungsbefugnis[5];
  • die Kündigungssperre des § 112 Nr. 1 InsO verliert ihre Geltung[6];
  • der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung einer die gesetzlich zulässige Höhe nicht übersteigenden Mietkaution wird vom Insolvenzbeschlag frei.[7]
[1] Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl., Vorb. § 535 Rn. 107 ff.
[3] So bereits AG Berlin-Köpenick, Urteil v. 20.12.2012, 17 C 304/12, WuM 2013 S. 306; AG Göttingen, Urteil v. 18.6.2009, 21 C 33/09, NZM 2009 S. 61.

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