Befristetes Wohnungsrecht der Angehörigen

Zu den Nachlassverbindlichkeiten eines Erben gehört die Gewährung des sog. Dreißigsten: Er hat den Familienangehörigen des Erblassers, die mit diesem zusammen gelebt haben, in den ersten 30 Tagen nach dem Eintritt des Erbfalls in demselben Umfang, wie der Erblasser es getan hat, Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der Wohnung und der Haushaltsgegenstände zu gestatten (§ 1969 BGB). Die betreffenden Personen sollen also ihre Lebensführung für kurze Übergangszeit beibehalten dürfen und sich so auf die veränderte Situation einstellen können. Dagegen steht das berechtigte Interesse der Erben, den Nachlass sichern und auch in Besitz nehmen zu dürfen – wie in folgendem Fall:

30 Tage alleinige Nutzung?

Der Erblasser lebte bis zu seinem Tode mit der zweiten Ehefrau F in seinem ihm allein gehörenden Haus. Beerbt wurde er von seinen beiden Kindern aus erster Ehe, die bereits wenige Tage nach seinem Tod in das Haus einzogen. Sie erklärten der F, dass sie als Erben und neue Eigentümer bis auf Weiteres im Haus wohnen bleiben wollten, und beließen der F lediglich ein Zimmer im Erdgeschoss. F beantragte bei Gericht im Wege der einstweiligen Verfügung, das Haus in den ersten 30 Tagen nach dem Tode des Erblassers unter Ausschluss der Kinder nutzen und bewohnen zu dürfen.

Keine verbotene Eigenmacht

Das AG Rheinbach wies den Antrag zurück, da kein Verfügungsanspruch bestehe. Aus dem Umstand, dass ein Familienangehöriger bis zum Tod des Erblassers allein mit diesem in seinem Haus gewohnt hat, folge nicht, dass dem Familienangehörigen Besitzschutz hinsichtlich der Wohnung gegen den Erben zustehe. Da der (Mit-)Besitz am Wohnhaus mit dem Tod des Erblassers unmittelbar von selbst auf die Erben übergehe, liege bereits keine verbotene Eigenmacht vor.

Kritik

Die überlebende Ehefrau soll sich plötzlich selbst versorgen und gleichzeitig mit den (ihr nicht wohl gesonnenen) Erben unter einem Dach leben müssen. Diese zwischenmenschlich schwierige Situation soll durch das Rechtsinstitut des Dreißigsten gerade vermieden werden. Die Erben mögen zur Wahrung ihrer Rechte und Pflichten aus dem Nachlass ein Besichtigungsrecht haben. Ein Wohnrecht kann ihnen in den ersten 30 Tagen neben dem Ehegatten aber nicht zustehen.

(AG Rheinbach, Beschluss v. 24.10.2012, 3 C 386/12, ZEV 2013 S. 682, ausführlich Eberhardt/Ehrnsperger, ZEV 2013, S. 653)

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