Thomas Schlüter, Mirjam Luserke
Rz. 111
Wie vorstehend schon erwähnt, ist seit 2006 das sog. "Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz" (AGG) in Kraft. Mit diesem Gesetz setzte die Bundesrepublik Deutschland europäisches Recht in ihr sog. "nationales" Recht um. Das AGG soll Diskriminierungen von Personen verhindern, die bestimmte, im Gesetz aufgezählte Diskriminierungsmerkmale tragen. Hierzu gehören rechtswidrige Benachteiligungen (Diskriminierungen)
- wegen der sog. "Rasse" oder ethnischen Herkunft,
- wegen des Geschlechts,
- wegen einer Behinderung,
- wegen des Alters,
- wegen der sexuellen Orientierung sowie
- wegen der Religion (das Diskriminierungsmerkmal "Weltanschauung" ist, anders als im Arbeitsrecht, für das zivile Vertragsrecht ausgenommen worden).
Das AGG hat zwei große Regelungsteile: Es betrifft einerseits Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse sowie andererseits den Abschluss sonstiger schuldrechtlicher Verträge, zu denen auch Nutzungs- bzw. Mietverträge gehören. Die Aufnahme von Mitgliedern in einen e. V. bzw. in eine eG ist nach der Rechtsprechung des BGH jedoch kein schuldrechtlicher Vertrag, sodass der Anwendungsbereich des AGG in seinem zivilrechtlichen Teil schon dem Grunde nach gar nicht eröffnet sein dürfte.
Das würde in letzter Konsequenz bedeuten, dass die Diskriminierungsmerkmale des AGG für den Beitritt bzw. die Ablehnung eines Beitrittsgesuchs eigentlich gar keine Rolle spielen dürften. Die eG müsste sich im Streitfall hierauf berufen und auch die oben beschriebene verfassungsmäßig verbürgte Koalitionsfreiheit ins Feld führen.
Man könnte in diesem Zusammenhang, bei unterstellter Anwendung des AGG auf den Beitritt zur eG, aber auch daran denken, die Ausnahmevorschrift des § 19 Abs. 5 AGG zu bemühen, wonach die zivilrechtlichen Vorschriften des AGG dann nicht gelten sollen, wenn bei "Schuldverhältnissen" ein besonderes "Nähe- oder Vertrauensverhältnis" begründet wird. Immerhin handelt es sich bei der eG um ein gesellschaftsrechtliches Konstrukt in Form eines Vereins. Dies stellt aber nur eine hilfsweise zu bemühende Argumentation dar. Entscheidend müsste vielmehr die grundlegende Nichtanwendbarkeit des AGG auf den Beitrittsakt sowie das verfassungsrechtlich verbürgte Grundrecht der eG auf Vereinigungsfreiheit sein.
Selbstverständlich sollte die eG aber schon aus ethischen Motiven heraus, wie auch wegen ihrer Außendarstellung, niemanden diskriminieren. Gegen unberechtigte Angriffe, die in der Praxis die letzten Jahre über durchaus schon zu verzeichnen waren, könnte die obige Argumentation aber helfen. Eine eG muss auch unter Geltung des AGG und seiner ethisch sicherlich begrüßenswerten Zielsetzung weiterhin frei darüber entscheiden können, wer "zu ihr passt" und wer nicht. Rechtliche Auswirkungen zeitigen "Antidiskriminierungsvorschriften" aber im Hinblick auf den Abschluss bzw. die Fortsetzung von Nutzungsverhältnissen, da es sich hierbei um Mietverträge über Wohnraum handelt und somit um den Austausch einer Leistung und Gegenleistung (s. o. Rn. 109).