Rz. 192

Das Genossenschaftsgesetz selbst sieht seit dem Jahr 2006 keinen normierten Grund mehr für ein Ausschließungsverfahren vor. Aber auch vorher regelte es hierzu nicht viel, sondern enthielt nur einen – zumindest für die Praxis der Wohnungsgenossenschaften völlig unbedeutenden – Grund: nämlich das Betreiben eines gleichartigen Geschäfts am selben Ort.

 

Rz. 193

Daher kommt, wie bisher auch, den Regelungen in der jeweiligen Satzung eine überragende Bedeutung zu. Fehlt eine Satzungsregelung ganz, so stünde der eG ein Ausschließungsverfahren nicht zur Verfügung.

In der Rechtsprechung ist zumindest umstritten, ob als "allgemeiner" und "ungeschriebener" Ausschließungsgrund auch der "wichtige Grund" im Sinne der Regeln zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung von Verträgen dienen kann (§§ 315, 626 BGB). Der BGH hatte dies in einer älteren Entscheidung jedenfalls noch abgelehnt[1], während das OLG Stuttgart dies in einer "moderneren" Entscheidung bejaht hat.[2] Eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit bleibt jedoch bei dieser Frage nach wie vor bestehen. Durch die jeweilige Satzung müssen also konkret und handhabbar formulierte Gründe für eine Ausschließung aus der eG festgesetzt werden. Ein praktisches Bedürfnis besteht für bestimmte Konstellationen allemal, bedenkt man beispielsweise die Fälle

  • einer dauerhaften Verletzung genossenschaftlicher Pflichten durch das Mitglied,
  • des Herbeiführens von Schäden für die eG oder
  • des "Untertauchens" eines Genossenschaftsmitglieds bei "Nacht und Nebel", ohne dass es sich weiter um seine miet- oder genossenschaftsrechtlichen Pflichten kümmert – ein höchst praxisrelevanter Fall.
 

Rz. 194

Ein Verschulden als Voraussetzung für den Ausschlussgrund wird vom Genossenschaftsgesetz nicht verlangt und ergibt sich auch aus allgemeinen rechtlichen Erwägungen nicht eindeutig. In der Fachliteratur zum Genossenschaftsrecht wird das Erfordernis eines Verschuldens zumindest nicht für jeden Fall zur Voraussetzung für eine Ausschließung gemacht. Neuere Rechtsprechung hierzu existiert in veröffentlichter Form freilich nicht.

Allerdings ist unverkennbar, dass aus der genossenschaftlichen Treuebindung heraus das Vorliegen eines Verschuldens des Genossenschaftsmitglieds im Sinne von Vorsatz und Fahrlässigkeit zumindest für den Regelfall gefordert werden könnte. Zumindest muss das die mitgliedschaftliche Beziehung störende Ereignis dem auszuschließenden Genossenschaftsmitglied und seiner Risikosphäre zuzurechnen sein.

Insbesondere beim Ausschließungsgrund "Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mitglieds" wäre die Voraussetzung eines Verschuldens des Mitglieds wohl kaum handhabbar, da die Gründe für eine Insolvenz sehr vielfältig sein können und eine "allgemeine Lebensführungsschuld" zu Recht nach allgemeiner Ansicht nicht angenommen wird. Bei diesem oder einem ähnlichen Ausschlussgrund geht es dann also nur um die wirtschaftlichen Belange der eG.

Aber auch in anderen Fallgruppen kann die Belastung für die eG so stark werden, dass das Erfordernis eines Verschuldens in den Hintergrund treten müsste, wenn es beispielsweise um die Schädigung des Ansehens der eG in Form von verbalen Äußerungen des Mitglieds oder um eine erhebliche Belastung der geschäftlichen und verwaltungstechnischen Abläufe der eG durch krankhaftes querulatorisches Verhalten eines Mitglieds geht. Hier könnte eine vorliegende schwerwiegende psychische Erkrankung des Genossenschaftsmitglieds das Verschulden entfallen lassen, obwohl die Belastungen für die eG – und damit möglicherweise auch für die anderen Genossenschaftsmitglieder – erheblich sind.

Beim Thema Ausschluss aus der eG ist immer auch das Interesse der eG im Auge zu behalten, sodass bei entsprechend schwerer Störung der Ausschluss eines Mitglieds nicht immer zwingend an das Vorliegen eines Verschuldens gekoppelt werden darf. Das ideelle Interesse der eG an der Unversehrtheit ihres guten Rufes kann hierbei den vermögensmäßigen Interessen durchaus gleichgestellt werden. Dies sollte bei der Formulierung von Ausschlussgründen in der Satzung berücksichtigt werden.

 

Rz. 195

Die Mustersatzung für Wohnungsgenossenschaften zählt daher aus gutem Grund auch Fallgruppen eines genossenschaftswidrigen Verhaltens auf (§ 11 Abs. 1 Buchst. a bis c MS), die losgelöst von einem Verschulden sind. Die Mustersatzung wurde 2018 geändert und folgt insbesondere hinsichtlich der Ausschlussgründe einer neuen Systematik.

Zitat

§ 11 Abs. 1 Buchst. a bis c MS:

(1) Ein Mitglied kann zum Schluss des Geschäftsjahres aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden,

 

a) wenn es der Genossenschaft gegenüber seine Pflichten aus der Satzung, aus dem sonstigen Genossenschaftsrecht, aus den allgemeinen Gesetzen sowie aus der Förderbeziehung (insbesondere aus dem Nutzungsvertrag über die Wohnung) schuldhaft oder für die Genossenschaft und ihre Mitglieder unzumutbar verletzt; als Pflichtverletzung in diesem Sinne gilt insbesondere,

  • wenn es das Ansehen der Genossenschaft in der Öffentlichkeit schädigt oder zu...

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