Thomas Schlüter, Mirjam Luserke
Rz. 268
Mit der Begründung der Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft stellt sich für das Mitglied die Frage, ob es damit einen Anspruch auf Nutzung einer Wohnung in der Genossenschaft erworben hat. Die Mustersatzung formuliert den Förderzweck als Förderung der günstigen und sozial verantwortbaren Wohnungsversorgung (vgl. § 2 Abs. 1 MS), woraus zunächst ein solcher Anspruch abgeleitet werden könnte. Allerdings wird dieser grundsätzlich bestehende Anspruch durch die Formulierung in der Mustersatzung konkretisiert, dass ein Anspruch (auf eine bestimmte Wohnung) aus dieser Bestimmung eben nicht abgleitet werden könne (vgl. § 14 Abs. 2 MS).
Auch kann die Überlassung einer Wohnung durch die Genossenschaft von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht werden: So legen nach der Mustersatzung Vorstand und Aufsichtsrat per Beschluss – nach Vorlage durch den Vorstand – die Grundsätze für die Vergabe von Wohnungen fest (vgl. § 28 Buchst. b MS).
In Anwendung von § 27 Abs. 1 Satz 2 GenG sieht die Mustersatzung nach § 28 somit eine Beschränkung der Leitungshoheit des Vorstands vor. Da Kernbereiche der Leitungsbefugnis auch nicht durch Satzungsregelungen eingeschränkt werden dürfen, sieht die Mustersatzung hier die Mitwirkungskompetenz des Aufsichtsrats nur bei grundlegenden Entscheidungen und bei der Gestaltung von Rahmenbedingungen für die operative Tätigkeit des Vorstands vor, nicht aber bei Umsetzungsfragen. Der Begriff "Grundsätze" bedeutet somit, dass die Regelungen so weit zu fassen sind, dass dem Vorstand ein ausreichender Entscheidungsspielraum zur selbstverständlichen Wahrnehmung der Geschäftsführung verbleibt. Die Grundätze dürfen daher umgekehrt nicht so eng gefasst sein, dass der Vorstand keine situationsgerechte Einzelfallentscheidung mehr treffen kann.
Grundsätzlich kann die Satzung das Verfahren der Wohnungsvergabe näher ausgestalten und auch von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig machen. Die Satzung kann auch die Organe ermächtigen, bestimmte Voraussetzungen festzulegen. Dies ist im Rahmen des § 28 MS erfolgt. Üblicherweise legen so Vorstand und ggf. Aufsichtsrat in Regionen mit einem angespannten Wohnraumangebot bezüglich der Vergabe von Wohnungen eine Vergabeordnung fest.
Die Vergabegrundsätze können sich unter Berücksichtigung des relativen Gleichbehandlungsgrundsatzes (siehe oben Rn. 248) z. B. an der Dauer der Zugehörigkeit zur Genossenschaft, an Wartefristen oder sozialen Kriterien wie der Bevorzugung von Familien oder älterer Mitglieder für bestimmte Wohnungstypen usw. orientieren. Der GdW hat hierzu einen Leitfaden mit Grundsätzen für die Vergabe von Genossenschaftswohnungen herausgegeben.
Im Übrigen können auch für weitere Leistungen der Genossenschaft, wie die Vergabe von Gärten oder Garagen, Richtlinien erstellt werden.
Einen Anspruch auf Zuteilung der Wohnung, wenn Vergabekriterien erfüllt sind, hat das Mitglied erst, wenn ein entsprechender Zuteilungsbeschluss durch den Vorstand erfolgt ist. Dieser Zuteilungsbeschluss liegt konkludent spätestens mit Abschluss des Nutzungsvertrags vor. Zuvor hat das Mitglied keinen Anspruch, sofern die Satzung nichts anderes vorsieht. Die Mustersatzung schließt diesbezüglich ausdrücklich einen Anspruch aus (§ 14 Abs. 2 MS).
Es besteht somit für das Mitglied lediglich eine Anwartschaft auf Zuteilung der Wohnung sowie im Rahmen des Bewerbungsverfahrens ein Anspruch auf gleichberechtigten diskriminierungsfreien Zugang nach Maßgabe der Satzung bzw. den Richtlinien.
Rz. 268a
Das LG Heidelberg hat in Bezug auf das Erfordernis einer formalen Vergabeordnung eine richtungsweisende Entscheidung getroffen. Es ging hierbei um die Kündigung durch eine Genossenschaft wegen Fehlbelegung einer genossenschaftlichen Wohnung.
Das Gericht setzte sich mit Frage auseinander, ob eine Fehlbelegung einer Genossenschaftswohnung als Kündigungsgrund nach § 573 Abs. 1 BGB anzuerkennen sei. Der Erbe hatte im vorliegenden Fall zunächst in Gemeinschaft mit einem langjährigen Genossenschaftsmitglied ein Siedlungshaus der Genossenschaft bewohnt. Nach Versterben des Mitglieds kündigte die Genossenschaft dem Erben mit der Begründung, dass nach Entscheidung des Vorstands die Vergabe der Häuser an Familien vorgesehen sei. Es gab keine verbindliche Vergaberichtlinie.
Das Gericht sah das Merkmal der Fehlbelegung als nicht gegeben und enthielt sich damit der Entscheidung, ob dies einen Kündigungsgrund darstelle oder nicht. Ohne eine entsprechende Vergaberichtlinie, so das Gericht, ist kein Beurteilungsspielraum zur Bewertung als Kündigungsgrund gegeben. Es sind demnach Vergabegrundsätze erforderlich, anhand derer man das Vorliegen einer Fehl- oder Unterbesetzung feststellen kann. Diese Grundsätze müssten klar, verbindlich und allgemeingültig in der Genossenschaft zu beachten sein. Eine Entscheidung des Vorstands hielt das Gericht in dem Zusammenhang für nicht ausreichend.
Das Urteil belegt, dass auch in diesem Zusammenhang das Vorliegen einer Vergabeordnung für Rechtssicherhei...