Rz. 280

Grundsätzlich wird auf einen (Dauer-)Nutzungsvertrag Mietrecht angewendet, denn der wesentliche Inhalt eines Nutzungsvertrags ist mit dem gewöhnlichen Inhalt eines Mietvertrags vergleichbar.[1] Die Bindung des Nutzungsrechts an die Mitgliedschaft der Genossenschaft hat keine so erhebliche Bedeutung, dass der Charakter des Vertrags grundsätzlich verändert wird. Maßgeblich ist der Leistungsinhalt. Diese Forderungen und Ansprüche sind als Ausdruck schuldrechtlicher Rechtsbeziehungen im Miet- und Nutzungsvertrag gleich.

 

Rz. 281

Die abweichenden Bezeichnungen wie z. B. "Nutzungsverhältnis" und "Mietvertrag" oder "Nutzer" und "Mieter" haben dabei nach Auffassung der Gerichte keine rechtliche Bedeutung. Meist sind die Formulierungen im genossenschaftlichen Nutzungsvertrag so gewählt, dass der Bezug zum Mietrecht ausdrücklich zum Ausdruck kommt, so z. B. beim Hinweis auf die gesetzlichen Kündigungsfristen für den Nutzer oder im Hinblick auf den Bezug zur Betriebskostenverordnung, die im Mietrecht bei der Umlage der Nebenkosten angewendet wird.

Die einzige grundlegende Abweichung vom gewöhnlichen Mietvertrag liegt in der Bindung des Nutzungsrechts der Wohnung an die Mitgliedschaft bei der Genossenschaft. Diese Abrede, die aus der besonderen rechtlichen Beziehung zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern entstanden ist, hat jedoch nach der Auffassung in Rechtsprechung und Literatur keine so erhebliche Bedeutung, dass dadurch der grundsätzliche Charakter des Vertrags verändert wird. Maßgebend für den Rechtscharakter eines Vertrags sei der seine Grundlage bildende Leistungsinhalt, also das, was die Vertragsparteien durch die vertraglichen Regelungen fordern und beanspruchen können. Und diese Forderungen und Ansprüche seien als Ausdruck der schuldrechtlichen Rechtsbeziehungen im Miet- bzw. Nutzungsvertrag gleich.[2] Ausdrücklich hat der Bundesgerichtshof[3] diese Meinung in seinem Urteil zur Kündigung einer Genossenschaftswohnung wegen des Ausschlusses eines Mitglieds aus der Genossenschaft bestätigt und erklärt, dass die mietrechtlichen Regelungen auch auf einen Dauernutzungsvertrag anwendbar sind.

 

Rz. 282

Dennoch darf das Mietrecht nicht undifferenziert auf die Vermietung einer Genossenschaftswohnung angewendet werden (siehe Rn. 280). Wohnungsgenossenschaften unterscheiden sich – obwohl rein äußerlich nicht ohne Weiteres erkennbar – durch sehr spezielle Organisations- und Strukturprinzipien von anderen privaten Vermietern.

Argumente für die Beachtung des genossenschaftlichen Nutzungsverhältnisses in Bezug auf das allgemeine Mietrecht ergeben sich aus der besonderen Stellung der Genossenschaft als Selbstverwaltungsorganisation, die durch ihre Verbindung von Mitgliedschaft und Recht auf Nutzung einer Wohnung den Nutzern einen erheblichen Schutz gewährt. Einzelne Mitglieder sind nicht als "gewöhnliche" Mieter anzusehen, sondern haben als Anteilseigner am "Unternehmen Genossenschaft" die Möglichkeit, über die Besetzung der Organe die Vermietungspolitik mitzugestalten und in diesem Rahmen mitzubestimmen. Sie verfügen damit über eine wesentlich stärkere institutionelle Position als der Mieter.[4]

Auch der gesellschaftsrechtliche Ansatz, selbstbestimmt zu entscheiden, wer Mitglied in diesem personalisierten Verbund wird und bleibt, stellt die Vermieterstellung dar und zeigt deren grundsätzliche Stärke. Dabei gibt es durchaus genossenschaftsrechtliche Instrumentarien, die im Gleichlauf zum sozialen Mietrecht stehen und die dessen Anwendung aus Gründen des Mieterschutzes nicht erforderlich machen. Hierzu gehört z. B. die erschwerte Kündigungsmöglichkeit der Mitgliedschaft von außen durch einen Dritten (Gläubigerkündigung bzw. Kündigung durch den Insolvenzverwalter), die auch in der Regelung des § 67c GenG ihren Ausdruck findet. Hiermit wird der Verlust der Wohnung durch eine Gläubigerkündigung erschwert und in ein ausgewogenes Verhältnis der Interessen des Gläubigers an der Befriedigung seiner Forderungen und des Schuldners am Erhalt seiner Wohnung hergestellt.

Gerade in den Bereichen Kündigung und Modernisierung von Wohnraum (siehe Rn. 283, 284 ff.) kommt dem genossenschaftlichen Nutzungsverhältnis in Abgrenzung zum mietrechtlichen Wohnverhältnis eine besondere Eigenständigkeit zu.

 

Rz. 282a

Gleiches gilt auch für die Leistung einer Mietkaution des Nutzers zusätzlich zu den Geschäftsanteilen für die Wohnungsnutzung. Auch hier ist trotz des wirtschaftlichen Zusammenhangs eine strenge Trennung beider Rechtsbereiche vorzunehmen. Das Genossenschaftsrecht geht dem Mietrecht nicht vor; die Geschäftsanteile dienen der Liquidität der Genossenschaft im Allgemeinen, während die Kaution auf das konkrete Mietverhältnis bezogen ist.[5] Das AG Kiel[6] sah auch in der Leistung einer Kaution keinen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), wenn die Kaution lediglich der Sicherung des Vermieters für den Ausfall seitens (nur) eines Mieters geschuldeter Zahlungen dienen soll.

Dem Argument einer Übersicherung trat das Am...

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