Thomas Schlüter, Mirjam Luserke
Rz. 387
Es wurde ausgeführt, dass die Aufrechnung nur funktioniert, wenn der Gegenforderung, mit der aufgerechnet wird, keine Einrede entgegensteht (siehe Rn. 385). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird für den Fall gemacht, dass der Gegenforderung die Einrede der Verjährung (§ 214 Abs. 1 BGB) entgegensteht (§§ 215 BGB). Voraussetzung hierfür ist, dass die Gegenforderung zu dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, zu dem erstmals aufgerechnet werden konnte. Im Ergebnis bedeutet dies, dass sich Gegenforderung und Hauptforderung einmal zu einem Zeitpunkt gegenübergestanden haben, als die Gegenforderung noch nicht verjährt, die Hauptforderung aber schon erfüllbar war ("aufgerechnet werden konnte"):
- Forderungen der eG auf das Nutzungsentgelt verjähren als Mietforderung in drei Jahren (§ 195 BGB), beginnend mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem sie "entstanden" und dem Gläubiger bekannt geworden sind (§ 199 Abs. 1 BGB).
- Forderungen der eG auf Schadensersatz wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren in sechs Monaten, beginnend mit dem Rückerhalt der Mietsache (§ 548 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB).
Rz. 388
Da die Forderungen der eG auf rückständige Miete mit einer Frist von drei Jahren, gerechnet ab dem Ende des Jahres, in dem sie entstanden sind, erst relativ spät verjähren, gibt es hier in der Praxis kaum Probleme. Wird die Mitgliedschaft noch innerhalb dieses Zeitraums beendet, in dem die Mietforderung noch nicht verjährt ist, so entsteht mit Ablauf des 31.12. (= Ende der Mitgliedschaft) das Auseinandersetzungsguthaben, das – beginnend mit dem 1.1. des neuen Jahres – auch erfüllbar ist, womit die Aufrechnungslage in einem Zeitpunkt gegeben wäre, in dem die Mietforderung als Gegenforderung noch nicht verjährt ist.
Fällt das Ende der Verjährungsfrist für die Mietforderung genau auf den gleichen 31.12., auf den auch das Ende der Mitgliedschaft fällt, dann sieht dies anders aus.
Verjährte Mietforderung der eG
Das Genossenschaftsmitglied scheidet zum 31.12.2019 aus der eG durch Eigenkündigung oder wirksamen Ausschluss aus. Die eG kann ab 1.1.2020 mit rückständigem Nutzungsentgelt (Miete) aufrechnen, da mit dem 1.1.2020 der Anspruch des Mitglieds auf das Auseinandersetzungsguthaben erfüllbar (wenn auch noch nicht fällig) geworden ist (siehe Rn. 384).
Am 1.1.2020 darf die Mietforderung als Gegenforderung der eG aber noch nicht verjährt gewesen sein.
- Alle Mietforderungen, die aus dem Jahr 2016 herrühren, verjähren zum 31.12.2019 (drei Jahre, § 195 BGB, beginnend mit dem 31.12.2016, § 199 Abs. 1 BGB: 2017, 2018, 31.12.2019).
- Die Mietforderungen aus 2016 und aus allen Jahren davor sind schon verjährt.
Das bedeutet: Die eG kann mit Mietforderungen aufrechnen, die in den Jahren 2017, 2018 und 2019 entstanden sind, auch wenn diese später ebenfalls verjähren sollten (was aber unwahrscheinlich ist, da die eG die Aufrechnung wohl schon im Jahr 2020 erklären wird, in einer Zeit, in der diese Mietforderungen noch nicht verjährt sind).
Mit Mietforderungen aus dem Jahr 2016 oder vorher kann die eG dagegen nicht mehr aufrechnen. Mit Ablauf des 31.12.2019 sind die Mietforderungen aus 2016 verjährt; vor Ablauf des 31.12.2019 ist der Anspruch des Mitglieds gegen die eG auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens (früheres Geschäftsguthaben) noch nicht erfüllbar.
Rz. 389
Problematischer ist die Aufrechnung der eG mit Schadensersatzansprüchen wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache (§ 548 Abs. 1 BGB):
Verjährter Schadensersatzanspruch der eG
Das Genossenschaftsmitglied scheidet zum 31.12.2019 aus der eG aus. Der eG wird die Wohnung im Oktober 2019 zurückgegeben. Die eG macht Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen geltend. Im Juni 2020 war die Verjährung des Schadensersatzanspruchs (Gegenforderung der eG) schon eingetreten. Die Generalversammlung findet im Juli 2020 statt. Danach will die eG die Aufrechnung erklären. Das ehemalige Mitglied verlangt die uneingeschränkte Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens.
Hier wirkt die Aufrechnung durch die eG, da die Schadensersatzforderung der eG im Juli 2020 zwar schon verjährt ist, sich beide Forderungen, die Hauptforderung (Auseinandersetzungsguthaben) und die Gegenforderung (Schadensersatz) jedoch einmal aufrechenbar gegenübergestanden haben. Ab dem 1.1.2020 war der Anspruch des Mitglieds auf das Auseinandersetzungsguthaben erfüllbar. In den ersten Monaten des Jahres 2020 war der Schadensersatzanspruch der eG noch nicht verjährt. In dem Zeitpunkt, als die eG die Aufrechnung erklärt, war für den Schadensersatzanspruch die Verjährung allerdings schon eingetreten. Dies ist jedoch unschädlich. Die eG kann im Juli 2020 auch mit der verjährten Gegenforderung aufrechnen (§ 215 BGB). Die eG hätte die Aufrechnung allerdings auch schon im Januar 2020 erklären können, nicht jedoch vorher (dann wäre die Aufrechnungserklärung ins Leere gelaufen).
Im vorstehenden Beispiel wäre eine Aufrechnung nicht möglich, wenn der eG die Wohnung beispielsweise ...