Dr. Klaus-Peter Hillebrand
Nichtige Beschlüsse sind per se unwirksam, ohne dass es einer Anfechtung des Beschlusses oder gar einer gerichtlichen Entscheidung bedarf. Insofern kann jedermann, der ein rechtliches Interesse nachweist, die Nichtigkeit im Wege einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO geltend machen. Dies gilt auch für die Nichtigkeit von Beschlüssen der Generalversammlung (Vertreterversammlung).
Soweit es allerdings die Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses der Generalversammlung (Vertreterversammlung) oder der Vertreterwahl auf Antrag eines Mitglieds, des Vorstands oder des Aufsichtsrats betrifft, kommt in Abweichung von der Regelung des § 256 ZPO in entsprechender Anwendung nur die aktienrechtliche Nichtigkeitsklage gemäß § 249 AktG in Betracht. Insofern handelt es sich um eine besondere Form der Feststellungsklage mit erweiterter Rechtskraftwirkung (§ 249 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 248 AktG). Soweit der Beschluss durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt wird, wirkt das Urteil für alle Mitglieder oder Vertreter der Genossenschaft sowie die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, auch wenn diese nicht Partei des Verfahrens sind (§ 248 Abs. 1 Satz 1 AktG). Der Vorstand hat das Urteil unverzüglich zum Genossenschaftsregister anzumelden (§ 248 Abs. 1 Satz 2 AktG). War der Beschluss in das Genossenschaftsregister eingetragen, so ist auch das Urteil einzutragen. Die Eintragung des Urteils ist in gleicher Weise wie der Beschluss bekanntzumachen (§ 248 Abs. 1 Satz 3 und 4 AktG). Hatte der Beschluss eine Satzungsänderung zum Inhalt, so ist mit dem Urteil der vollständige Wortlaut der Satzung, wie er sich unter Berücksichtigung des Urteils und aller bisherigen Satzungsänderungen ergibt, mit der Bescheinigung eines Notars über diese Tatsache zum Genossenschaftsregister einzureichen.
Anders als bei der Beschlussanfechtung, ist die Nichtigkeitsklage nicht an die Einhaltung einer Frist gebunden. Insofern kommen lediglich die allgemeinen Regelungen der Verwirkung zur Anwendung, wenn die Einreichung der Klage seitens des Klägers über Gebühr verzögert wird.
Nichtigkeitsfälle
Wesentliche Einzelfälle der Nichtigkeit betreffen analog § 241 AktG schwere Einberufungsmängel hinsichtlich der Generalversammlung (Vertreterversammlung) durch unzuständige Mitglieder oder Organe oder bei unterlassener oder unrichtiger Bekanntmachung (§ 241 Nr. 1 AktG), insbesondere unter Nichtaufnahme eines Beschlussgegenstands in die Tagesordnung, es sei denn, dass alle Mitglieder oder Vertreter anwesend waren und keine Einwände geltend gemacht haben.
Gleiches gilt gemäß § 241 Nr. 3 AktG für gesetzwidrige Beschlüsse, die nicht mit dem "Wesen der Genossenschaft zu vereinbaren sind" oder durch ihren Inhalt Vorschriften verletzen, wie die Überschreitung der Zuständigkeit der Generalversammlung, sowie Beschlüsse einer Vertreterversammlung, die über weniger als 50 Vertreter verfügt (siehe: § 43a Abs. 3 Satz 1 GenG) sowie Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Gleiches gilt für Beschlüsse, die Vorschriften verletzen, die ausschließlich oder überwiegend dem Schutz der Gläubiger der Gesellschaft dienen (§§ 19 Abs. 2 Satz 2; 22; 22a; 23; 93; 115b GenG) oder sonst im öffentlichen Interesse sind. Das gilt auch für widersprüchliche (perplexe) und sachlich undurchführbare Beschlüsse.
Darüber hinaus ist gemäß § 241 Nr. 4 AktG ein Beschluss der Generalversammlung auch dann nichtig, wenn er seinem Inhalt nach gegen die guten Sitten verstößt. So ist beispielsweise ein Verzicht der Generalversammlung auf Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats nach Eintritt der Insolvenzreife der Genossenschaft nichtig. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn sich der Vorstand in der Generalversammlung unberechtigter Weise weigert, verlangte Auskünfte an die Mitglieder zu erteilen.