Leitsatz

Verkauft der Sicherungsgeber im eigenen Namen, aber für Rechnung des Sicherungsnehmers die diesem zur Sicherheit übereigneten Gegenstände an einen Dritten, führt er an den Dritten eine entgeltliche Lieferung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 aus; dieser kann deshalb die ihm vom Sicherungsgeber in Rechnung gestellte Umsatzsteuer unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 als Vorsteuer abziehen. Zudem greift § 3 Abs. 3 UStG 1993 ein; zwischen dem Sicherungsnehmer (Kommittent) und dem Sicherungsgeber (Kommissionär) liegt eine Lieferung vor, bei der der Sicherungsgeber (Verkäufer, Kommissionär) als Abnehmer gilt. Gleichzeitig erstarkt die Sicherungsübereignung zu einer Lieferung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer. Es liegt ein Dreifachumsatz vor (Fortführung des BFH-Urteils vom 6.10.2005, V R 20/04, BFH/NV 2006, S. 222 = INF 2006, S. 92).

 

Sachverhalt

Eine GmbH hatte Fahrzeuge zur Sicherheit an eine Bank übereignet. Nachdem die GmbH die Eröffnung des Konkursverfahrens beantragt hatte, kündigte ihr die Bank im Streitjahr 1995 fristlos die den Sicherungsübereignungen zugrunde liegenden Kredite und forderte sie auf, die Fahrzeuge zur Abholung bereit zu stellen. Nach Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse veräußerte die GmbH im Einverständnis mit der Bank mit Vertrag vom September 1995 die betreffenden Fahrzeuge an die T-GmbH, die ihrerseits für den Erwerb Kredite der Bank aufgenommen hatte. Die T-GmbH machte die ihr für den Erwerb der Fahrzeuge in Rechnung gestellte Umsatzsteuer erfolglos als Vorsteuer geltend. Das Finanzamt war der Auffassung, Lieferantin der Klägerin sei nicht die GmbH, sondern die Bank als Sicherungsnehmerin gewesen (sog. "Doppelumsatz"); ein Vorsteuerabzug aus der von der GmbH erteilten Rechnung sei deshalb nicht möglich. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Die Revision der T-GmbH hatte Erfolg. Denn an sie hat die GmbH – entgegen der Auffassung des FG – die Fahrzeuge geliefert. Das FG meinte, die GmbH habe deswegen nicht über eine eigene Lieferung an die T-GmbH abgerechnet, weil sie die der Bank als Sicherungsnehmerin übereigneten Fahrzeuge auf deren Rechnung an die T-GmbH veräußert habe, und die Lieferung deshalb der Bank zuzurechnen sei. Allein der Umstand, dass jemand im eigenen Namen, aber letztlich für Rechnung eines Dritten Leistungen erbringt oder bezieht, rechtfertigt jedoch keine von den vertraglichen Vereinbarungen abweichende Zurechnung von Leistungen oder Leistungsbezügen, wie sich aus den Regelungen zum Kommissionsgeschäft ergibt[1]. Verkauft deshalb der Sicherungsgeber im Einverständnis mit dem Sicherungsnehmer die diesem zur Sicherheit übereigneten Gegenstände im eigenen Namen an einen Dritten, führt er eine entgeltliche Lieferung aus, für die er Umsatzsteuer schuldet.

Mit der Verwertung des Sicherungsguts für Rechnung des Sicherungsnehmers, also der Bank, erstarkt die Sicherungsübereignung zu einer Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer; es liegt ein Doppelumsatz vor. Gleichgültig ist insoweit, ob der Sicherungsnehmer die sicherheitshalber übereigneten Gegenstände selbst verwertet oder die Verwertung des Sicherungsguts – wie hier – dem Sicherungsgeber überlässt. Veräußert der Sicherungsnehmer selbst das Sicherungsgut, liefert er an den Käufer.

Veräußert der Sicherungsgeber das Sicherungsgut für Rechnung des Sicherungsnehmers im eigenen Namen, liefert der Sicherungsgeber an den Erwerber, also an die T-GmbH. Gleichzeitig liegt im Verhältnis zwischen Sicherungsnehmer und Sicherungsgeber ein Fall des Kommissionsgeschäfts nach § 3 Abs. 3 UStG 1993 vor, bei dem der Sicherungsgeber als Abnehmer gilt; es kommt zu einem Dreifachumsatz[2].

 

Praxishinweis

Die umsatzsteuerrechtliche Folge des Dreifachumsatzes in solchen Verwertungsfällen wurde ursprünglich von den Banken akzeptiert. Inzwischen greifen diese den Dreifachumsatz als zu kompliziert an. Eine gewisse umsatzsteuerrechtliche Überfrachtung solcher Vorgänge ist zwar zuzugestehen. Gleichwohl fehlt ein Ansatz für eine "einfachere", allgemein zutreffende Lösung. Das nach deutschem Zivilrecht vorgegebene Institut der Sicherungsübereignung setzt bereits den Doppelumsatz voraus. Ein Rückgriff auf die bloß pfandrechtliche Funktion der Sicherungsübereignung dürfte nicht mehr in Betracht kommen.

Die Interessenlage der Banken ist ersichtlich. Zum einen wollen sie das Verwertungsgeschäft mit dem Sicherungsgut nicht selbst übernehmen, da es kein Kerngeschäft für Banken darstellt. Daher wird die Verwertung dem Sicherungsgeber überlassen. Dass dieser keinerlei Freiheiten hinsichtlich der Auskehr des erzielten Erlöses in Höhe der gesicherten Forderungen hat, liegt auf der Hand. Andererseits wollen die Banken aber die sie treffende "umgekehrte" Steuerschuld aus § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG vermeiden. Beide Vorteile dürften nicht kombinierbar sein.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 30.3.2006, V R 9/03

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