Leitsatz
Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten wegen möglicher vertraglicher Schadensersatzverpflichtungen für die nicht vollständige Rückgabe von Leergut darf steuerrechtlich nur gebildet werden, wenn der Getränkehersteller von den Umständen Kenntnis hat, die den Schadensersatzanspruch begründen, oder zumindest eine derartige Kenntniserlangung unmittelbar bevorsteht.
Sachverhalt
Eine GmbH & Co. KG betreibt einen Getränkegroßhandel. Sie ist neben anderen Getränkehändlern über einen Kooperationsvertrag an der KG I beteiligt. Diese nimmt zentral den Wareneinkauf vor und hat hierfür mit mehreren Getränkeherstellern Lieferverträge abgeschlossen. Danach ist das Leergut an die Lieferanten zurückzugeben. Der Lieferant berechnet jeweils Pfandbeträge. Für das zurückgegebene Leergut werden Gutschriften erteilt. Nach den in die Lieferverträge einbezogenen allgemeinen Geschäftsbedingungen sind die Lieferanten berechtigt, von der KG I als Käuferin für nicht zurückgegebenes Leergut Schadensersatz zu verlangen, auf den das eingezahlte Pfandguthaben angerechnet wird. Lediglich in den mit der X Brauerei AG geschlossenen Liefervertrag sind die an der KG I beteiligten Gesellschafter unmittelbar mit einbezogen. Nach den Lieferbedingungen der KG I ist fehlendes Leergut zum Wiederbeschaffungspreis zu ersetzen. Eine bei GmbH & Co. KG durchgeführte Außenprüfung erkannte die von ihr für das Jahr 1999 gebildete Pfandrückstellung in Höhe von rd. 84 700 UR nicht an.
Der BFH entscheidet, dass die KG zum 31.12.1999 keine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten wegen möglicher vertraglicher Schadensersatzansprüche aufgrund von Nichterfüllung oder verzögerter Erfüllung bestehender Rückgabeverpflichtungen hinsichtlich des den Lieferanten gehörenden Leerguts bilden durfte. Die KG musste zum Bilanzstichtag nicht ernsthaft mit ihrer Inanspruchnahme rechnen. Bei Schadensersatzansprüchen ist eine Inanspruchnahme des Schuldners erst wahrscheinlich, wenn die den Anspruch begründenden Tatsachen entdeckt und dem Geschädigten bekannt sind oder dies unmittelbar bevorsteht. Nach den branchenüblichen Abläufen hatte die KG nicht ernsthaft mit ihrer Inanspruchnahme auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder Verzugs zu rechnen. Im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen kann nur aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise mit der Inanspruchnahme gerechnet werden, wenn z. B. die Geschäftsbeziehungen beendet werden oder eine Aufforderung unmittelbar bevorsteht, das gesamte Leergut zu einem bestimmten Termin zurückzugeben. Solche besonderen Umstände sind nicht ersichtlich.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 25.4.2006, VIII R 40/04.