Leitsatz

Die Klage, mit der die Familienkasse einen Anspruch gegen den Sozialleistungsträger auf Rückerstattung von Kindergeld gemäß § 112 SGB X geltend macht, ist als allgemeine Leistungsklage i.S. des § 40 Abs. 1 FGO zulässig.

 

Sachverhalt

Die Familienkasse setzte das Kindergeld zugunsten einer Mutter für ihre Kinder ab August 1997 mit monatlich 740 DM fest, einschließlich 300 DM für die Tochter T. Da das Sozialamt mitgeteilt hatte, dass es T ab September 1997 Hilfe zum Lebensunterhalt gewähre und deswegen einen Erstattungsanspruch nach den §§ 102ff. SGB X geltend gemacht hatte, erstattete die Familienkasse dem Sozialamt 300 DM monatlich. Nachdem die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung zwischenzeitlich aufgehoben und durch eine neue Festsetzung ersetzt hatte, war sie der Auffassung, dem Sozialamt stünden entsprechend § 76 Satz 2 Nr. 1 EStG nur 2/3 der Kindergeldsumme von 740 DM zu. Folglich forderte es die Differenz vom Sozialamt zurück. Die hierauf gerichtete Leistungsklage wies das FG als unzulässig ab. Auf die Revision hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zurück.

 

Entscheidung

Erstattungsansprüche des Sozialamts gegen die Familienkasse nach den §§ 102 bis 105 SGB X sind ebenso wie Rückerstattungsansprüche, wenn die Familienkasse auf einen tatsächlich nicht bestehenden Erstattungsanspruch geleistet hat, nach § 112 SGB X i.V.m. § 74 Abs. 5 EStG nicht durch Verwaltungsakt, sondern im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machen, weil zwischen den Leistungsträgern kein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht. Da § 218 Abs. 2 AO nicht anwendbar ist, hat das FG zu Unrecht ein Rechtsschutzinteresse an der Leistungsklage verneint: Ein Rückforderungsbescheid als einfacherer Weg, die begehrte Rückerstattung des Kindergelds zu erreichen, steht nämlich nicht zur Verfügung. Das FG hat nun in der Sache zu entscheiden, ob und in welcher Höhe die Sozialbehörde das Weiterleiten des Kindergelds verlangen durfte.

 

Praxishinweis

Nach der Rechtsprechung dürfen Personen, die nach § 74 Abs. 1 EStG die Auszahlung des Kindergelds an sich statt an den Berechtigten verlangen können, Kindergeld, das der Berechtigte – regelmäßig ein Elternteil – nicht geltend macht, selbst beantragen und gegebenenfalls einklagen, da sie insofern ein berechtigtes Interesse i.S. von § 67 Satz 2 EStG haben[1]. Sie führen dann im Wege der Prozessstandsschaft ein Verfahren über einen fremden Anspruch, weshalb der Anspruchsberechtigte[2] notwendig beizuladen ist[3]. Hier geht es aber nicht um die Kindergeldfestsetzung; diese ist zugunsten der Mutter als Berechtigter unstreitig. Möglicherweise gelten auch andere Grundsätze, wenn im Erhebungsverfahren nach § 74 Abs. 1 EStG ein anderer als der Berechtigte, z.B. das Kind selbst oder ein privater Unterhaltsgewährer, die Auszahlung an sich verlangt. Denn die Erstattungsansprüche nach den §§ 102ff. SGB X entstehen selbständig neben dem Anspruch des Berechtigten und sind nur der Höhe nach durch die gegenüber dem Kindergeldberechtigten ergangenen Bescheide begrenzt. Besteht gegenüber dem Kindergeld- oder dem Überleitungsberechtigten keine Bindungswirkung, so brauchen diese zum Erstattungsverfahren zwischen den beiden gleichgeordneten Behörden auch nicht beigeladen zu werden. Dann kann die Familienkasse das Kindergeld doppelt auszahlen müssen, wie das auch der Fall sein kann, wenn sie Kindergeld zunächst an den vermeintlich berechtigten Elternteil zahlt und von diesem nicht mehr zurückfordern kann.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 26.1.2006, III R 89/03

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