Wechsel­seitige Ansprüche nach Trennung

Ein häufiger Fall: Eheleute sind Miteigentümer eines Einfamilienhauses. Sie haben gesamtschuldnerisch verschiedene Darlehen aufgenommen; die hieraus resultierenden Verpflichtungen bedient der Ehemann allein. Im Rahmen ihrer Trennung zieht die Ehefrau aus. Der Ehemann macht gegen sie vor dem Familiengericht Zahlungsansprüche aufgrund Gesamtschuldenausgleichs geltend. Sie wiederum verlangt von ihm Zahlung einer Nutzungsentschädigung gemäß § 1361b Abs. 3 BGB für die Zeit der Trennung. Insoweit rechnet sie hilfsweise auf und stellt hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die Hilfsaufrechnung nicht für zulässig erachte, insoweit Hilfswiderantrag.

Das Familiengericht hat den Antrag des Ehemanns zurückgewiesen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass dessen Ansprüche auf Gesamtschuldnerausgleich zum Teil begründet seien, jedoch durch die Hilfsaufrechnung der Ehefrau erloschen wären. Auf die hiergegen erhobene Beschwerde des Ehemanns hat das OLG Brandenburg die Ehefrau zur Zahlung des Gesamtschuldnerausgleichs unter Vorbehalt der Aufrechnung verpflichtet und die Sache zur weiteren Entscheidung an das FamG zurückverwiesen.

Problem: verschiedene Verfahrens­arten

Begründung: Bei den Zahlungsansprüchen wegen Gesamtschuldenausgleichs (§ 426 BGB) bezüglich der anteiligen Kreditraten handelt es sich um eine sonstige Familienstreitsache nach § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, die zwar als Familiensache vor dem Familiengericht, jedoch nach den zivilprozessualen Regeln der ZPO entschieden wird. Bei den von der Ehefrau erhobenen Ansprüchen handele es sich dagegen um eine Ehewohnungssache (§ 200 Abs. 1 Nr. 1 FamFG i. V. m. § 1361b BGB). Solche Ansprüche sind in einer anderen Verfahrensart geltend zu machen. Es handelt sich um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in dem der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Die zur Aufrechnung gegenüberstehenden Ansprüche unterliegen damit der Bewertung nach unterschiedlichen Verfahrensmaximen, die ebenso wie im Falle unterschiedlicher Rechtswegzuständigkeiten nicht miteinander vermischt werden dürften. Die Unterschiedlichkeit der Verfahrensordnungen hindere nach ihrem Sinn und Zweck eine Prüfung und Entscheidung der Gegenforderung. Die Aufrechnung sei ein selbstständiges Gegenrecht, das dem durch den Antrag bestimmten Verfahrensgegenstand einen weiteren selbstständigen Gegenstand hinzufüge.

Vorbehalts­beschluss als "Kompromiss"

Allerdings besteht nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i. V. m. § 302 ZPO die Möglichkeit, einen Vorbehaltsbeschluss über die Antragsforderung zu erlassen. Eine solche Vorbehaltsentscheidung werde den Interessen der Beteiligten gerecht. Der Ehemann habe ein berechtigtes Interesse an einer zügigen Entscheidung über seinen Anspruch, soweit dieser entscheidungsreif sei. Die Ehefrau habe es ihrerseits in der Hand, ihre Interessen durch die rasche Einleitung eines weiteren Verfahrens auf Feststellung ihrer zur Aufrechnung gestellten Nutzungsentschädigungsansprüche zu bewahren. Sofern die Ehefrau ein solches Verfahren einleite, werde das Nachverfahren vor dem FamG auszusetzen sein.

Vergleich als "Königsweg"?

Hinweis: Im umgekehrten Fall, wenn in einer Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit einer Forderung aufgerechnet wird, die als Familienstreitsache geltend zu machen wäre, funktioniert dieser Trick nicht. Da nämlich das FamFG keine Möglichkeit eines Vorbehaltsbeschlusses vorsieht, kann in diesem Fall die Aufrechnung nicht berücksichtigt werden.

Diese kostenträchtigen und zeitraubenden Probleme lassen sich dadurch vermeiden, dass die Eheleute im Rahmen eines Vergleichs die naheliegende "Verrechnung" vornehmen.

(OLG Brandenburg, Beschluss v. 5.8.2015, 10 UF 20/15, NJOZ 2016 S. 1593, dazu Schneider, NZFam 2016, S. 1004)

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