Leitsatz
Ein Vorbehaltsnießbrauch zu Gunsten der Eltern an einem Zweifamilienhaus eines unverheirateten Arbeitnehmers schließt nicht aus, das dieser dort einen eigenen Hausstand als Voraussetzung für eine doppelte Haushaltsführung unterhält, wenn gesichert ist, dass er die Wohnung nicht nur vorübergehend nutzen kann; bei dieser Prüfung kommt es auf den Fremdvergleich nicht an.
Sachverhalt
Der im Streitjahr 1995 33-jährige ledige Arbeitnehmer A bewohnte in S die Dachgeschosswohnung eines Zweifamilienhauses, das ihm sein Vater im Vorjahr unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen hatte. Die Eltern bewohnten die Erdgeschosswohnung. A arbeitete in K, wo er eine Wohnung gemietet hatte, während sich sein Lebensmittelpunkt in S befand. Das Finanzamt berücksichtigte die Kosten der Heimfahrten von K nach S, nicht aber die Mietkosten in K; der Arbeitnehmer habe keinen doppelten Haushalt i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG geführt, weil die Dachgeschosswohnung wegen des Nießbrauchrechts der Eltern nicht sein eigener Hausstand gewesen sei. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Die Revision führte zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Entscheidung
Die doppelte Haushaltsführung erfordert, das der Arbeitnehmer außerhalb des Beschäftigungsorts einen eigenen Hausstand unterhält. Ein eigener Hausstand liegt vor, wenn er ihn aus eigenem Recht, z.B. als alleiniger Eigentümer oder Mieter, oder aus abgeleitetem Recht nutzt. Letzteres ist anzunehmen, wenn der Hausstand nach den Umständen des Falles jedenfalls auch ihm als eigener zugerechnet werden kann, weil sein Verbleiben in der Wohnung gesichert ist und er sie nicht nur vorübergehend, z.B. wie ein Gast, nutzen kann. Das ist auch bei Nießbrauchsvorbehalt möglich, wenn sich der Arbeitnehmer mit Duldung des Nießbrauchsberechtigten dauerhaft dort aufhält und finanziell maßgebend an der Haushaltsführung beteiligt ist. Dabei müssen die zu Grunde liegenden Vereinbarungen nicht dem unter Fremden Üblichen entsprechen. Das Tragen von Gebäudekosten, die unabhängig von der Mitnutzung (hier: als Eigentümer) zu übernehmen sind, ist noch keine das Unterhalten rechtfertigende finanzielle Beteiligung. Außerdem muss sich im beibehaltenen eigenen Hausstand der Lebensmittelpunkt befinden, da das reine Vorhalten einer Wohnung zu Besuchs- oder Ferienaufenthalten noch kein Unterhalten eines Hausstandes darstellt. Das FG muss nun feststellen, ob zwischen dem Arbeitnehmer und seinen Eltern Einvernehmen über das längerfristige Nutzendürfen bestand und ob der Hausstand ein von A persönlich und finanziell unterhaltener Haupthausstand war.
Praxishinweis
Obwohl der BFH vom abgeleiteten Recht spricht, dürfte auch ein auf Gefälligkeit beruhendes Bleibendürfen ausreichen, wenn es auf Dauer angelegt ist. Da – unter fremden Dritten übliche – Nutzungsentgelte nicht gefordert werden, kommt als eigener finanzieller Beitrag nur das Tragen von Nebenkosten wie Strom, Heizung, Müllabfuhr, Rundfunkgebühren usw. in Betracht. Im Übrigen muss, insbesondere durch einen Vergleich der Wohnbedingungen an und außerhalb des Beschäftigungsorts, festgestellt werden, welches der Haupthausstand war.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 4.11.2003, VI R 170/99