Leitsatz
Ob der Unterhaltsempfänger über kein oder nur geringes Vermögen i. S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG verfügt, ist unabhängig von der Anlageart nach dem Verkehrswert zu entscheiden (gegen R 190 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EStR).
Sachverhalt
Der Kläger zahlte seiner Mutter im Streitjahr 1997 monatlichen Unterhalt von 800 DM und beglich für sie Aufwendungen in Höhe von 14 508,87 DM. Die Mutter hatte kein eigenes Einkommen, war aber Eigentümerin eines Dreifamilienhauses. Sie bewohnte das Erdgeschoss selbst, im Obergeschoss wohnte der Kläger, das Dachgeschoss wurde nicht vermietet. Das Grundstück wurde im Oktober 1999 für 570 000 DM verkauft. Im Einkommensteuerbescheid 1997 berücksichtigte das Finanzamt die Unterhaltsaufwendungen des Klägers nicht. Die dagegen erhobene Klage wies das FG als unbegründet ab. Die Revision hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer ihm gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 12 000 DM im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Voraussetzung für den Abzug ist u. a., dass die unterhaltene Person kein oder nur geringes Vermögen besitzt. Vermögen ist laut Finanzverwaltung gering, wenn dessen gemeiner Wert 30 000 DM nicht übersteigt. Der BFH hat diese Grenze bislang gebilligt, und zwar auch dann, wenn das Vermögen keine Erträge erwirtschaftet.
Außer Betracht bleibt laut Finanzverwaltung ein dem Unterhaltsempfänger gehörendes angemessenes Hausgrundstück, wenn er dieses allein oder zusammen mit Angehörigen, denen es nach seinem Tode als Wohnung dienen soll, ganz oder teilweise bewohnt. Der BFH folgt dem nicht. Ob kein oder nur geringes Vermögen vorliegt, ist unabhängig von der Anlageart nach dem Verkehrswert zu entscheiden. Es kann keinen Unterschied machen, ob ein Steuerpflichtiger sein Vermögen in Mietwohngrundstücken, Wertpapieren, Kunstgegenständen oder anderweitig angelegt hat. Grundsätzlich ist auch ein selbstgenutztes Eigenheim anzusetzen, und zwar mit dem Verkehrswert.
§ 33a Abs. 1 EStG weicht zwar vom zivilrechtlichen Unterhaltsrecht ab, so dass die Höhe des bürgerlich-rechtlich konkret geschuldeten Unterhalts steuerlich nicht maßgeblich ist, basiert aber auf dem Zivilrecht. Dieses mutet es aber einem Unterhaltsberechtigten grundsätzlich zu, sein Vermögen ungeachtet der Art der Anlage gegebenenfalls durch Substanzverbrauch für seinen Unterhalt einzusetzen.
Vor diesem Hintergrund und unter Beachtung des Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich eine Privilegierung von Unterhaltsleistungen an Unterhaltsempfänger, die über ein Eigenheim verfügen, gegenüber solchen, die lediglich dazu in der Lage waren, ein bescheidenes, wenn auch 30 000 DM übersteigendes Vermögen zu erwerben, nicht rechtfertigen.
Praxishinweis
Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf diese Entscheidung reagiert. Die seit 1975 geltende Grenze von 30 000 DM bzw. nun 15 500 EUR lässt der BFH immerhin unangetastet. Sie wurde allerdings in der Vergangenheit schon als zu niedrig angesehen. So hat das FG Düsseldorf für 1995 ein Vermögen von 80 000 DM als angemessen beurteilt; in dem dagegen gerichteten Revisionsverfahren kam der BFH jedoch zum Ergebnis, dass "die von der Verwaltung gezogene Grenze großzügig bemessen ist".
Folge der Umsetzung der BFH-Rechtsprechung kann mittelbar sein, dass Unterhaltszahlungenwegen der Nichtabzugsfähigkeit nach Zahl und Höhe abnehmen. Für die Zahlungsempfänger entsteht damit ein Zwang, vorhandene Vermögenswerte, speziell Immobilien, zu veräußern. Eine Alternative kann jedoch – je nach Vermögensart und -nutzung – eine Übertragung im Wege vorweggenommener Erbfolge gegen Versorgungsleistungen sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.12.2002, III R 41/01