Alexander C. Blankenstein
Das LG Frankfurt/Main (LG Frankfurt/Main, Urteil v. 17.12.2020, 2-13 S 108/20) hat eine höchst brisante Entscheidung des AG Kassel (AG Kassel, Urteil v. 27.8.2020, 800 C 2563/20) aufgehoben und klargestellt, dass zwar jeder Wohnungseigentümer auch während der Corona-Pandemie Anspruch auf persönliche Teilnahme an der Eigentümerversammlung hat, der Verwalter aber durchaus auf Vertretungsmöglichkeiten hinweisen und derartige auch "werbend" anpreisen darf. Das AG Kassel hatte dies grundsätzlich anders gesehen und sämtliche in der Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschlüsse für nichtig erklärt. Allerdings sind reine "Vertreterversammlungen" dergestalt, dass die Geladenen von der persönlichen Teilnahme ausgeschlossen sind und lediglich auf die Erteilung von Vollmachten beschränkt werden nicht möglich. In derartigen Versammlungen gefasste Beschlüsse sind nichtig, wie das AG Lemgo (AG Lemgo, Urteil v. 24.8.2020, 16 C 10/20) entschieden hat.
Teilnahmerecht gehört zum Kernbereich der unentziehbaren Rechte
Das Recht der Teilnahme an Eigentümerversammlungen gehört zum Kernbereich der unentziehbaren Rechte eines Wohnungseigentümers. Wird dieses Recht bewusst missachtet, führt dies in aller Regel zur Nichtigkeit gefasster Beschlüsse. Insbesondere die Kontakt- und Versammlungsbeschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie führen zu erheblicher Verunsicherung bei Verwaltern, ob und in welcher Art und Weise Eigentümerversammlungen durchgeführt werden können. Grundsätzlich gilt zunächst, dass die den Rahmen vorgebenden jeweiligen Länderverordnungen zu beachten sind. In aller Regel entstehen dann keine Probleme, wenn es sich um kleine Eigentümergemeinschaften handelt. Allerdings kann es bereits dann kritisch werden, wenn wie im jüngst vom LG Frankfurt/Main entschiedenen Fall eine Eigentümergemeinschaft aus 11 Wohnungseigentümern besteht und es dem Verwalter nur möglich ist, einen Versammlungsraum zu organisieren, in dem sich einschließlich des Verwalters leidglich 10 Personen aufhalten dürfen.
Verwalter weist auf Beschränkung der Teilnehmeranzahl hin
Jedenfalls hatte der Verwalter eine Wohnungseigentümerversammlung wie folgt einberufen: "Aufgrund der Größe der Sitzungsräume muss die Anzahl der anwesenden Eigentümer bei dieser Versammlung beschränkt werden (10 Personen inkl. Verwalter). Erteilen Sie deshalb möglichst dem Verwaltungsbeirat oder der Verwaltung die Vollmacht für die Teilnahme an der Versammlung. […] Der Verwalter behält sich vor, die Versammlung nicht durchzuführen, sofern die Höchstzahl der Anwesenden überschritten wird und keine einvernehmliche Regelung am Versammlungstag dazu getroffen werden kann." In der Versammlung wurde ein Fassadenanstrich beschlossen. Eine Wohnungseigentümerin hatte den Beschluss mit der Begründung angefochten, dass die zum Einsatz kommenden Farben gesundheitsschädlich seien. Das vorbefasste Amtsgericht hatte sogar die Nichtigkeit des Beschlusses festgestellt, da sich aus der Einladung ergebe, dass zwei Eigentümer nicht persönlich teilnehmen konnten. Dies sei auch in der Corona-Pandemie ein nicht hinnehmbarer Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte der Eigentümer.
Anspruch auf persönliche Teilnahme
Das nachbefasste LG Frankfurt/Main konnte sich dieser Auffassung nicht anschließen. Allerdings hat es zunächst klargestellt, dass auch in Zeiten der Corona-Pandemie ein Anspruch der Eigentümer auf eine persönliche Teilnahme an Eigentümerversammlungen besteht. Jedenfalls ist es unzulässig, Versammlungen dahingehend zu beschränken, dass lediglich eine Teilnahme einzelner Personen gewährleistet wird und die übrigen Eigentümer Vollmachten zu erteilen haben oder gar von vornherein lediglich zu sog. Vertreterversammlungen geladen wird, bei denen sich die Eigentümer nur vom Verwalter oder Verwaltungsbeirat vertreten lassen können. Die Eigentümer haben nämlich nicht nur das Recht, ihren Willen durch das Abstimmungsverhalten zum Ausdruck zu bringen, sondern auch durch Wortmeldungen auf der Versammlung die Mehrheit in Richtung der von ihnen gewünschten Willensbildung zu beeinflussen.
Verwalter darf Vertretungsmöglichkeiten aktiv bewerben
Eine derartige Einschränkung liege aber dann nicht vor, wenn in der Einladung lediglich darauf verwiesen worden sei, dass ein Versammlungssaal für 10 Personen angemietet und auf die Erteilung von Vollmachten hingewiesen wurde. Aufgabe des Verwalters sei es, zu einer Versammlung einzuladen, dabei habe er über den Ort und die Zeit der Versammlung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Gerade in den Zeiten der Corona-Pandemie, in welchen der Verwalter bei der Auswahl des Versammlungsortes die Abstandsgebote und Hygiene-Vorschriften einzuhalten hat, sei es ein sachgerechtes Ermessenskriterium, sich bei der Auswahl des Versammlungsortes an der zu erwartenden Teilnehmerzahl zu orientieren und dabei Vertretungsmöglichkeiten aktiv zu bewerben.
Verwalter kann sich an den durchschnittlichen Teilnehmerzahlen vergangener Eigentümerversammlungen orientieren
Die...