Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für sog. geringwertige Wirtschaftsgüter sind nicht über die Nutzungsdauer der Sache abzuschreiben, sondern können steuerlich sofort geltend gemacht werden. Der Steuerpflichtige hat ein Wahlrecht, ob er diese Möglichkeit statt der normalen AfA in Anspruch nehmen möchte.

Zeitpunkt des Abzugs bei sofortiger Geltendmachung ist gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG die Anschaffung (Lieferung; vgl. § 9a EStDV) oder Herstellung (Fertigstellungszeitpunkt bei Eigenproduktion des Wirtschaftsguts; vgl. § 9a EStDV).

 
Achtung

Abweichend vom sog. Abflussprinzip kommt es für die Frage nach dem Zeitpunkt des Abzugs hier also nicht auf die Zahlung, sondern auf die Lieferung (den Erhalt) der Sache an.

Handelt es sich um eine Gewinneinkunftsart, kann alternativ der Zeitpunkt der Einlage bei Überführung vom Privatvermögen ins Betriebsvermögen nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG oder der Eröffnung des Betriebs maßgebend sein.

Voraussetzung für das Vorliegen eines GWGs ist gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG zunächst, dass die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das einzelne Wirtschaftsgut 410 EUR netto nicht übersteigen. "Netto" bedeutet, es wird immer der Betrag ohne die auf der Rechnung ggf. enthaltene Umsatzsteuer zugrunde gelegt, unabhängig davon, ob sie als Vorsteuer abgezogen werden kann – das gilt somit auch für Nicht-Unternehmer.

 
Wichtig

Kann der Käufer die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen – ist er also insbesondere kein Unternehmer i. S. d. Umsatzsteuerrechts –, muss nur für die Frage, ob überhaupt ein GWG vorliegt, der Nettopreis zugrunde gelegt werden. Wird diese Frage bejaht, wird der Bruttopreis, also inklusive Umsatzsteuer, als Werbungskosten oder bei einer Gewinneinkunftsart als Betriebsausgaben (siehe Kapitel 1.2) berücksichtigt – schließlich ist der Bruttopreis sein "Aufwand".

Ein GWG liegt gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 EStG zudem nur dann vor, wenn es sich um ein "abnutzbares, bewegliches Wirtschaftsgut" handelt, das "einer selbstständigen Nutzung fähig" ist. Letzteres wird in Satz 2 der Vorschrift näher erläutert.

Im Bereich der Vermietung und Verpachtung sind beispielsweise Anschaffungen von Werkzeugen, aber auch mitvermietete Gegenstände (Mobiliar) betroffen.

 
Praxis-Beispiel

Vermieter V repariert in den seinerseits vermieteten Wohnungen viel selbst, daher schafft er sich zum Ende des Jahres 01 eine Kreissäge an. Die Säge wird am 20.12.01 geliefert, den Kaufpreis in Höhe von 476 EUR (inklusive 19 % Umsatzsteuer) zahlt er am 10.1.02.

V kann wahlweise die Anschaffungskosten (476 EUR) auf die Nutzungsdauer der Kreissäge verteilen und sie mithin nach § 7 Abs. 1 EStG abschreiben. Oder er nimmt, da es sich um ein selbstständig nutzbares, bewegliches Wirtschaftsgut handelt, die Bewertungsfreiheit des § 6 Abs. 2 EStG in Anspruch, weil die Anschaffungskosten netto nur 400 EUR (nämlich 476 EUR abzüglich 76 EUR Umsatzsteuer) betragen haben. Im zweiten Fall kann er die vollen 476 EUR im Jahr 01 als Werbungskosten geltend machen, weil es auf den Zeitpunkt der Lieferung ankommt.

Die Rechtslage für die Berücksichtigung von GWG hat sich in der Vergangenheit im Übrigen mehrfach geändert. Im Folgenden wird die heute gültige Rechtslage (seit 2010) dargestellt.

Erfolgte die Anschaffung oder Herstellung im Rahmen einer Überschusseinkunftsart (siehe Kapitel 1.2), gibt es die zwei Möglichkeiten.

Erfolgte die Anschaffung oder Herstellung im Rahmen einer Gewinneinkunftsart, bestehen folgende Möglichkeiten:

  • Anschaffungs- oder Herstellungskosten (ohne Vorsteuer) bis maximal 150 EUR (Anwendungsbereich nur des § 6 Abs. 2 EStG, nicht des § 6 Abs. 2a EStG): hier besteht ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen zwischen zwei Optionen.

    • Reguläre Abschreibung über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts (AfA)
    • Sofortige Geltendmachung in voller Höhe

    Dieses Wahlrecht kann für jedes Wirtschaftsgut individuell in Anspruch genommen werden, es ist wirtschaftsgutbezogen. In diesem Bereich sind keine weiteren Aufzeichnungspflichten gefordert (§ 6 Abs. 2 Satz 4 EStG).

  • Anschaffungs- oder Herstellungskosten (ohne Vorsteuer) über 150 EUR bis maximal 410 EUR (Anwendungsbereich sowohl des § 6 Abs. 2 EStG als auch des § 6 Abs. 2a EStG): Hier besteht ein Wahlrecht zwischen drei Optionen.

    • Reguläre Abschreibung über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts (AfA)
    • Sofortige Geltendmachung in voller Höhe; dann allerdings Führung eines gesonderten Verzeichnisses, falls die in § 6 Abs. 2 Satz 4 EStG geforderten Angaben nicht aus de...

Dieser Inhalt ist unter anderem im WohnungsWirtschafts Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?