Leitsatz

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Steuerpflichtige beim Abschluss einer privaten Rentenversicherung mit Einkunftserzielungsabsicht gehandelt hat, sind in die hiernach gebotene Prognose der insgesamt anfallenden steuerpflichtigen Einnahmen auch solche künftigen Rentenzahlungen einzubeziehen, die nach dem wahrscheinlichen Verlauf der Dinge nach dem Tod des Versicherungsnehmers an dessen Ehegatten als Hinterbliebenenrente ausgezahlt werden.

 

Sachverhalt

Die steuerpflichtigen Eheleute werden für das Streitjahr 1992 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Ende Dezember 1992 schloss der Ehemann als Versicherungsnehmer mit der X-Lebensversicherungs-AG einen Vertrag über eine sofort beginnende Rente gegen Zahlung eines in vollem Umfang fremdfinanzierten Einmalbeitrags. Nach dessen Tod sollte an die Ehefrau, die im Versicherungsschein als "mitversicherte Person" bezeichnet wird, bis zu deren Tod eine Hinterbliebenenrente in unveränderter Höhe gezahlt werden. In ihrer Einkommensteuererklärung 1992 machten die Steuerpflichtigen bei den sonstigen Einkünften einen Werbungskostenüberschuss geltend, der im Wesentlichen aus vorausgezahlten Zinsen für das Refinanzierungsdarlehen resultierte. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der Werbungskosten unter Hinweis auf die fehlende Überschusserzielungsabsicht ab. Das FG stellte im angefochtenen Zwischenurteil fest, dass der Ehemann dem Grunde nach berechtigt gewesen sei, bei den sonstigen Einkünften Werbungskosten im Zusammenhang mit den Refinanzierungsdarlehen abzuziehen. Die Revision des Finanzamts blieb erfolglos.

 

Entscheidung

In die Überschussprognose sind auch diejenigen steuerpflichtigen Einnahmen einzubeziehen, die voraussichtlich der Ehefrau nach dem Tod des Ehemanns zufließen werden. Überschussprognosen beruhen in weitaus größerem Umfang als förmliche Steuerfestsetzungen auf wirtschaftlichen Überlegungen und Wahrscheinlichkeitserwägungen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung der sich im Streitfall wahrscheinlich ergebenden Entwicklung werden aber voraussichtlich Einnahmen aus der Hinterbliebenenrente zufließen und der Einkommensbesteuerung unterliegen. Auch diese Einnahmen haben ihre Grundlage in dem vom Ehemann abgeschlossenen Rentenvertrag und sind durch den vom Kläger gezahlten Einmalbeitrag mit erworben.

 

Praxishinweis

Selbstverständlich setzt auch die Erzielung von Einkünften aus Leibrenten – nicht anders als bei allen übrigen Einkünften – die Absicht voraus, auf die voraussichtliche Dauer der Betätigung oder Vermögensnutzung einen Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen[1].

In diesem Zusammenhang ist die wichtigste und zugleich neue Erkenntnis des Besprechungsurteils, dass bei Leibrenten, die voraussichtlich hintereinander mehreren Personen zufließen werden, im Rahmen der Überschussprognose auch die Einnahmen zu berücksichtigen sind, die wahrscheinlich der den Erstrentenberechtigten überlebenden weiteren Rentenperson zufließen werden. Die Finanzverwaltung[2] hat dies bisher anders ge-sehen. Es bleibt abzuwarten, ob sie das Ergebnis akzeptieren oder mit einem Nichtanwendungserlass reagieren wird.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 16.9.2004, X R 29/02

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