Leitsatz (amtlich)

Verzichtet ein Gesellschafter aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden Gründen auf eine Darlehensforderung gegen seine Gesellschaft, so führt dies bei der Gesellschaft auch dann zu einer Einlage in Höhe des Teilwerts der Forderung, wenn das Darlehen vor dem Verzicht eigenkapital-ersetzenden Charakter hatte.

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, ist eine Tochtergesellschaft der B-KG. Sie hatte 1993 einen Verlust erlitten; ihre Bilanz wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus. Die B-KG gewährte der Klägerin ein ungesichertes, verzinsliches Darlehen von 2,47 Mio. DM. Um die Unternehmensfortführung zu ermöglichen, verpflichtete sich die B-KG am 22.12. 1994, am 31.12.1994 einen Kapitaleinschuss in Höhe der zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Bilanzverluste vorzunehmen. Diese Verpflichtung sollte dadurch erfüllt werden, dass die B-KG auf ihre Forderungen gegenüber der Klägerin verzichtete. Der Teilwert der erlassenen Forderung betrug im Zeitpunkt des Verzichts 117 027 DM. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Klägerin im Streitjahr 1994 einen außerordentlichen Ertrag in Höhe des Kapitaleinschusses erzielt habe. Es erhöhte den Gewinn der Klägerin entsprechend. Das FG gab der Klage insoweit statt, als es das steuerlich zu berücksichtigende Einkommen der Klägerin um 117 027 DM verminderte. Der BFH wies die NZB der Klägerin als unbegründet zurück.

 

Entscheidungsgründe

Die Annahme der Klägerin, dass der Verzicht zu einer verdeckten Einlage in Höhe des Nennwerts der Forderung geführt habe und dass deshalb die gesamte vom Finanzamt angesetzte Gewinnerhöhung rückgängig zu machen sei, ist unzutreffend. Der Erlass einer Gesellschafterforderung gegenüber der Gesellschaft führt aus der Sicht der Gesellschaft zum Erlöschen einer Verbindlichkeit und damit zu einer Gewinnerhöhung. Diese in der Steuerbilanz zu erfassende Gewinnerhöhung ist zwar außerhalb der Bilanz zu neutralisieren, soweit es sich bei dem Forderungsverzicht steuerrechtlich um eine Einlage handelt. Ein im Gesellschaftsverhältnis veranlasster Forderungsverzicht eines Gesellschafters führt jedoch zu einer Einlage (nur) in Höhe des Teilwerts der Forderung im Zeitpunkt des Verzichts. Soweit die erlassene Forderung in diesem Zeitpunkt nicht (mehr) werthaltig war, bleibt es bei der durch den Wegfall der Verbindlichkeit ausgelösten Gewinnerhöhung[1].

Dies gilt ohne Einschränkung auch dann, wenn sich der Verzicht des Gesellschafters auf ein eigenkapitalersetzendes Darlehen bezieht. Solche Darlehen sind aus der Sicht der empfangenden Gesellschaft grundsätzlich Fremdkapital[2]. Sie dürfen zwar unter bestimmten Umständen nicht zurückgezahlt und in der Insolvenz der Gesellschaft nur nachrangig bedient werden. Abgesehen davon gelten für sie jedoch sowohl zivilrechtlich als auch steuerrechtlich dieselben Regeln wie für Darlehen ohne kapitalersetzenden Charakter. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt allenfalls im hier nicht vorliegenden Fall, wenn der kreditgebende Gesellschafter nach den getroffenen Vereinbarungen eine Rückzahlung des Darlehens nur unter denselben Umständen wie eine Rückzahlung von Einlagen verlangen kann[3].

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des VIII. Senats zur Behandlung kapitalersetzender Darlehen im Bereich des § 17 EStG. Zwar führt nach dieser Rechtsprechung der Verlust eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens dazu, dass sich die Anschaffungskosten der Beteiligung i.S. des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG um den Nennwert der Darlehensforderung erhöhen[4]. Das gilt auch dann, wenn der Gesellschafter vor der Veräußerung der Beteiligung oder der Liquidation der Gesellschaft auf seine Forderung verzichtet hat[5]. Diese Beurteilung gilt jedoch nur im Hinblick auf die Ermittlung des beim Gesellschafter anfallenden Veräußerungs- oder Auflösungsgewinns i.S. des § 17 Abs. 1 EStG; sie lässt sich auf die Besteuerung der Gesellschaft nicht übertragen.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Beschluss vom 16.5.2001 – I B 143/00

Anmerkung

Der Entscheidung ist beizupflichten. Die Rechtsprechung des VIII. Senats, nach der der Ausfall eines eigenkapitalersetzenden Darlehens zu "nachträglichen Anschaffungskosten" des Gesellschafters auf seine wesentliche Beteiligung i.S. des § 17 EStG führt, darf nicht zu der Annahme verleiten, dass die bloße Gewährung eines solchen Darlehens oder dessen Verstrickung nach den zivilrechtlichen Regeln des Eigenkapitalersatzrechts auf der Ebene der Kapitalgesellschaft wie auch auf der Ebene der Gesellschafter zu einer verdeckten Einlage führe. Denn die Darlehensgewährung und ihre zivilrechtlichen Folgen ändern nichts daran, dass es sich zivil- wie steuerrechtlich nicht um die Zuführung von Eigenkapital, sondern um die Bereitstellung von Fremdmitteln handelt, die nur im Bereich des § 17 EStG beim Gesellschafter zur Wahrung des Nettoprinzips den eigentlichen nachträglichen Anschaffungskosten - etwa in Gestalt von verdeckten Einlagen - gleichgestellt werden. Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch ...

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