Leitsatz

Sind Aufwendungen auf ein Wirtschaftsgut nicht als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abgezogen, sondern zu Unrecht als Herstellungskosten erfasst worden, kann bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 bzw. nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG der Abzug nicht in späteren Veranlagungszeiträumen nachgeholt werden.

 

Sachverhalt

Der im Jahr 1997 verstorbene Rechtsanwalt R und seine Ehefrau E waren je zur Hälfte Miteigentümer eines Einfamilienhauses. 1994 hatten die Eheleute einen Anbau errichtet und an die Kanzlei des R vermietet. R hielt seinen Miteigentumsanteil im Betriebsvermögen. Bei der Veranlagung für 1994 unterließen es die Eheleute, die auf den Anbau entfallende Vorsteuer als Betriebsausgabe bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit bzw. aus Vermietung und Verpachtung geltend zu machen. Die Abschreibung für den Anbau ermittelten sie bei den jeweiligen Einkunftsarten aus den Brutto-Herstellungskosten. Der Einkommensteuerbescheid 1994 wurde bestandskräftig. Bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung für 1995 erkannte der Steuerberater, dass die Abschreibung von den Netto-Herstellungskosten vorgenommen werden müsse. Er nahm deshalb zur Korrektur der Abschreibungsbemessungsgrundlage "Sonderabschreibungen" jeweils in Höhe des halben Vorsteuerbetrags vor. Das Finanzamt versagte deren Abzug als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten. Die Klage vor dem FG blieb erfolglos.

 

Entscheidung

Der BFH sah ebenfalls keine Möglichkeit, den Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug nachzuholen. Eine Teilwertabschreibung kommt weder bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG noch bei der Überschussermittlung nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG in Betracht. Abgesehen davon liegen die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung nicht vor, da eine dauernde Wertminderung des Gebäudes nicht eingetreten ist. Eine Bilanzberichtigung scheidet mangels bilanzieller Gewinnermittlung ebenfalls aus. Ebenso wenig existiert im Rahmen der hier vorgenommenen Ergebnisermittlungen ein dem Bilanzenzusammenhang vergleichbarer Wertzusammenhang für Wirtschaftsgüter, deren Herstellungskosten im Wege der Abschreibung zu verteilen sind. Vielmehr ist jeder Veranlagungszeitraum für sich zu betrachten. Betriebsausgaben, die nicht im Jahr der Verausgabung abgezogen worden sind, können nicht in einem späteren Jahr nachgeholt werden. Der Grundsatz der Totalgewinnidentität ist deshalb nicht verletzt, weil er voraussetzt, dass die Regeln der jeweiligen Ermittlungsmethode beachtet werden. Das ist aber nicht geschehen, da die Vorsteuer als Betriebsausgabe bzw. Werbungskosten hätte abgezogen werden können und müssen.

 

Praxishinweis

Nach § 9b Abs. 1 EStG gehört die abziehbare Vorsteuer nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts. Sie ist deshalb im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG als Betriebsausgabe und bei den Überschusseinkünften als Werbungskosten abzuziehen. Der Abzug solcher Ausgaben ist nach § 11 Abs. 2 EStG in dem Kalenderjahr vorzunehmen, in dem sie geleistet worden sind. Aus § 11 Abs. 2 EStG ergibt sich gleichzeitig, dass Ausgaben, deren Abzug im Jahr der Verausgabung nicht vorgenommen worden ist, nicht in einem späteren Jahr abgezogen werden können. Das hat der BFH mehrmals im Fall zu Unrecht unterlassener Abschreibungen entschieden[1], dabei aber zugleich ausgeführt, dass die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht endgültig als Betriebsausgaben "verloren" seien, sondern einen später anfallenden Gewinn aus der Veräußerung oder Entnahme des Wirtschaftsguts minderten, weil der Veräußerungserlös mit den noch nicht abgesetzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten saldiert werden müsse. Darin liege die gebotene Angleichung an die Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich. Ob dieser Auffassung, die der IV. Senat lediglich in einem sog. obiter dictum geäußert hat, gefolgt werden kann, sei dahingestellt[2]. Jedenfalls wird sich die Klägerin bei der Ermittlung eines eventuellen späteren Entnahmegewinns nicht in vergleichbarer Weise darauf berufen können, dass die Vorsteuer auf den Anbau bisher noch nicht als Betriebsausgabe berücksichtigt worden sei. Anders als in den Fällen unterlassener Abschreibungen liegen insoweit nämlich keine "noch nicht abgesetzten Herstellungskosten" vor. Denn abziehbare Vorsteuern sind und waren niemals Herstellungskosten[3].

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 21.6.2006, XI R 49/05

[2] A.A. insoweit Weber-Grellet, Kein nachträglicher Abzug von Anschaffungskosten für Umlaufvermögen bei der Überschussrechnung, StuB 2006, S. 19

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