Leitsatz
- Der Bezug einer Unterkunft an einer vorübergehenden beruflichen Tätigkeitsstelle (Einsatzwechseltätigkeit) begründet keine doppelte Haushaltsführung. Die mit einer solchen Auswärtstätigkeit verbundenen Fahrt- und Übernachtungskosten sind in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar (Änderung der Rechsprechung).
- Die Höhe des Verpflegungsmehraufwands richtet sich bei Auswärtstätigkeiten i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG nach der Abwesenheit des Arbeitnehmers von seiner Wohnung am Ort des Lebensmittelpunkts. Nicht entscheidend ist die Abwesenheitsdauer von der auswärtigen Unterkunft am Einsatzort. Der Abzug des Verpflegungsmehraufwands ist auf die ersten drei Monate des Einsatzes an derselben Tätigkeitsstätte beschränkt.
Sachverhalt
Ein lediger Bauarbeiter mit Wohnsitz in W war auf verschiedenen Baustellen tätig, u.a. vom 15. bis 26.6.1998 im 96 km entfernten A und vom 6.7. bis 16.10.1998 im 420 km entfernten B. Zu diesen Orten fuhr er mit dem eigenen Kfz. Während der Arbeitswoche wohnte er dort in einer Pension bzw. einem Bauwagen. Als Werbungskosten machte er im Streitjahr 1998 Kosten für zwei Fahrten von W nach A und zurück und neun Fahrten von W nach B und zurück mit 0,52 DM/km und für zwei Fahrten – nach Ablauf von drei Monaten – von W nach B mit 0,70 DM je Entfernungskilometer geltend. Verpflegungspauschalen setzte er für zehn in A und für 76 in B verbrachte Tage an, wobei er die Abwesenheitsdauer von seiner Wohnung in W zugrunde legte. Das Finanzamt berücksichtigte bei allen Zwischenheimfahrten lediglich die km-Pauschbeträge des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG, erkannte die übrigen Werbungskosten aber an. Das FG wies die Klage ab. Die Revision führte zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Entscheidung
Der BFH hat für sämtliche Fahrten die tatsächlichen Kosten zum Abzug zugelassen, bei den Verpflegungspauschalen die Abwesenheitszeiten vom Heimatwohnsitz zugrundegelegt und die Sache wegen mangelnder Feststellungen zum Ablauf der Dreimonatsfrist bei Verpflegungspauschalen zurückverwiesen. Zur Begründung legt er zunächst die bisherige Rechtsprechung beim Zusammenfallen von Einsatzwechseltätigkeit und doppelter Haushaltsführung dar, die er aber aufgibt. Hierzu erläutert er vorab verfassungsrechtliche Vorgaben aus dem objektiven Nettoprinzip und Folgerungen, die sich aus der prinzipiellen Berücksichtigung von Mobilitätskosten nach dem Gebot der Folgerichtigkeit ergäben. Zu diesen gehöre, dass die Abzugsbeschränkungen in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nrn. 4 und 5 EStG nicht auf Tätigkeiten anzuwenden seien, die in keiner ortsgebundenen und dauerhaft angelegten regelmäßigen Arbeitsstätte ausgeübt werden. Hieraus leitet der BFH ab, dass für Fahrten zu wechselnden Einsatzstellen weder die Entfernungspauschale gilt, noch die Rechtsfolgen einer doppelten Haushaltsführung anzuwenden sind, obwohl am Beschäftigungsort gewohnt wird. Vielmehr sind wegen der Ähnlichkeit zu Dienstreisen deren Rechtsfolgen anzuwenden, sodass nebeneinander die Unterkunftskosten und die tatsächlichen Fahrtkosten abziehbar sind, auch wenn mehr als eine Heimfahrt wöchentlich unternommen wird. Wie bei Dienstreisen werden auch hier die für Verpflegungspauschalen maßgeblichen Abwesenheitszeiten nicht von der Wohnung am Beschäftigungsort, sondern von der den Lebensmittelpunkt bildenden Wohnung berechnet, andererseits aber Pauschalen nach Ablauf von drei Monaten an der nämlichen Einsatzstelle nicht mehr gewährt.
Praxishinweis
Die Rechtsprechungsänderung beinhaltet hinsichtlich der Fahrtkosten eine Abweichung von den LStR, wenn die jeweilige Einsatzstelle innerhalb eines Einzugsbereichs von 30 km liegt bzw. länger als drei Monate aufgesucht wird. Solange die LStR nicht geändert werden, kann der Arbeitgeber beim Lohnsteuerabzug nicht in Haftung genommen werden, wenn er nach ihnen verfährt. Das kann für den Arbeitnehmer günstiger sein als die Handhabung nach der neuen Rechtsprechung, wenn die tatsächlich angefallenen, grundsätzlich nachzuweisenden Kosten niedriger sind als die Entfernungspauschale, was z.B. bei Fahrgemeinschaften der Fall sein kann. Bei der Veranlagung des Arbeitnehmers ist dagegen die aktuelle Rechtsprechung maßgebend, da die jetzige Auslegung kein Wahlrecht zwischen bisheriger und neuer Rechtsprechung eröffnet.
Die Rechtsprechungsänderung zur Abwesenheitsberechnung von Verpflegungspauschalen nach der den Lebensmittelpunkt bildenden Wohnung statt nach der Wohnung am Beschäftigungsort wirkt sich nur bei Einsätzen von mehr als drei Monaten am nämlichen Tätigkeitsort aus. Denn bisher wurden die Pauschalen wegen doppelter Haushaltsführung anerkannt, bei denen die Abwesenheitszeiten ebenfalls von der Familienwohnung berechnet werden. Dagegen gilt die Dreimonatsfrist bei Einsatzwechseltätigkeit nach R 39 Abs. 1 Satz 5 LStR – jedenfalls bisher – nicht. Andererseits war nach dem Auslegungsverständnis der Verwaltung und der ganz überwiegenden Literaturmeinung für Pauschalen bei Einsatzwechseltätigkeit bisher die Abwesenheitszeit ...