Anna-Christina Hartmann, Rainer Hartmann
Leitsatz
Für die Berechnung der Entfernungspauschale ist auf die kürzeste Straßenverbindung abzustellen unabhängig vom tatsächlich benutzten Verkehrsmittel. Dabei kann nach dem Gesetzeswortlaut auch eine andere als die kürzeste Straßenverbindung zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG). Der BFH hat in 2 Urteilen die Kriterien festgelegt, die eine längere Staßenverbindung erfüllen muss, damit sie als verkehrsgünstigere Strecke beim Werbungskostenabzug für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angesetzt werden darf.
Sachverhalt
Verkehrsgünstigere, längere Straßenverbindung
Der BFH bestätigt seine bisherige Rechtsauslegung, wonach eine Straßenverbindung dann als verkehrsgünstiger als die kürzeste Verbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzusehen ist, wenn der Arbeitnehmer eine andere – längere – Straßenverbindung nutzt und die Arbeitsstätte trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen i.d.R. schneller erreicht. Offensichtlich "verkehrsgünstiger" ist die Straßenverbindung, wenn ihre Vorteilhaftigkeit so auf der Hand liegt, dass sich auch ein unvoreingenommener, verständiger Verkehrsteilnehmer unter den gegebenen Verkehrsverhältnissen für die Benutzung der Strecke entschieden hätte.
Das Gesetz nennt als weitere Voraussetzung, dass diese Strecke vom Arbeitnehmer auch tatsächlich regelmäßig benutzt wird. Für die Prüfung, ob eine weitere Strecke offensichtlich verkehrsgünstiger ist, darf ausschließlich die vom Arbeitnehmer regelmäßig benutzte Streckenführung mit der kürzesten Straßenverbindung verglichen werden. Unerheblich ist, die vom Arbeitnehmer gewählte Strecke verkehrsgünstiger als andere Verbindung ist. Das Gesetz verlangt nicht, dass es sich hierbei um die verkehrsgünstigste Strecke überhaupt handelt.
Keine absolute Fahrzeitverkürzung
Konkrete zeitliche Vorgaben, die erfüllt sein müssen, um eine Straßenverbindung als "offensichtlich verkehrsgünstiger" als die kürzeste Fahrtroute anzusehen, ergeben sich weder aus dem Gesetz noch aus der Rechtsprechung. Soweit im Urteilsfall vom FG eine Zeitersparnis von 20 Minuten verlangt wird, kann dem nicht allgemein gefolgt werden. Eine starre zeitliche Grenze kann insbesondere nicht den unterschiedlichen Gegebenheiten gerecht werden, die bei der Vielzahl von Arbeitswegen in tatsächlicher Hinsicht möglich sind.
Allerdings spricht eine geringfügige Verkürzung von unter 10 % der für die kürzeste Verbindung benötigten Fahrzeit dafür, dass diese minimale Zeitersparnis allein für einen verständigen Verkehrsteilnehmer keinen ausschlaggebenden Anreiz darstellen dürfte, eine abweichende Route zu wählen. Umgekehrt ist eine relativ große zu erwartende Zeitersparnis ein gewichtiges Indiz dafür, dass die längere Umwegstrecke "offensichtlich verkehrsgünstiger" und damit für die Entfernungspauschale maßgebend ist. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass das Merkmal der Verkehrsgünstigkeit auch andere Umstände als eine Zeitersparnis beinhaltet. So kann eine Straßenverbindung auch dann "offensichtlich verkehrsgünstiger" sein als die kürzeste Verbindung, wenn sich dies aus anderen Umständen wie z.B. die Streckenführung (Verkehrsaufkommen, Landstraße, Autobahn) ergibt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteile v. 16. 11. 2011, VI R 46/10 und VI R 19/11.