Leitsatz

Veräußert der Alleingesellschafter-Geschäftsführer freiwillig alle Anteile an seiner GmbH, kann die Entschädigung für die Aufgabe der Geschäftsführertätigkeit gleichwohl von dritter Seite veranlasst sein, da die Aufgabe dieser Tätigkeit nicht die zwangsläufige Folge der Anteilsveräußerung ist.

 

Sachverhalt

Der Alleingesellschafter und Geschäftsführer (G) einer im Jahr 1984 gegründeten GmbH, dem neben seinem Gehalt auch eine Pension zugesagt worden war, veräußerte im August 1992 100 % seiner GmbH-Anteile. Nach den vertraglichen Vorbemerkungen bestand aus der Sicht des Käufers (K) keine wirtschaftliche Grundlage für eine Weiterbeschäftigung des G als Geschäftsführer. Nach der Übertragung der Geschäftsanteile auf K zahlte die GmbH dem G für die fristlose Kündigung des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags eine Abfindung von 300000 DM und für die Ablösung der – noch nicht unverfallbaren – Pensionsansprüche 389869 DM. Das Finanzamt versagte hinsichtlich der Abfindung eine Anwendung des § 3 Nr. 9 EStG sowie eine tarifbegünstigte Besteuerung. Die Entschädigung für die Aufgabe der Pensionsansprüche sah es als verdeckte Gewinnausschüttung an, auf die § 34 Abs. 3 EStG nicht anwendbar sei. Das FG gab der Klage hinsichtlich der Abfindung für die Beendigung des Dienstverhältnisses als Geschäftsführer statt.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Auffassung des FG. Auch er sieht die Abfindung als steuerbegünstigte Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG an. Zur Begründung verweist er auf seine Rechtsprechung, nach der bei einem zunächst freiwilligen Entschluss zum Anteilsverkauf eine Zwangslage zum Verzicht auf Versorgungsansprüche dadurch entstehen kann, dass der Erwerber nicht bereit ist, die Versorgungsansprüche zu übernehmen[1]. Entsprechend beurteilt der BFH die Rechtslage im vorliegenden Fall. G hat zwar seine GmbH-Anteile aus freien Stücken verkauft; er hat aber seine Geschäftsführertätigkeit zwangsweise aufgegeben, weil der Käufer der Anteile die Geschäftsführung der GmbH "in eigene Hände" nehmen wollte. Dafür, dass G ein eigenes Interesse an der Auflösung seines Dienstverhältnisses hatte, lagen keine Anzeichen vor. Damit sind gleichzeitig auch die Voraussetzungen einer teilweisen Steuerfreiheit der Abfindung nach § 3 Nr. 9 EStG gegeben; denn der Arbeitgeber hat die entscheidende Ursache für die Auflösung des Dienstverhältnisses gesetzt.

 

Praxishinweis

Mit der vorliegenden Entscheidung setzt der BFH konsequent seine Rechtsprechung zur Steuerbegünstigung von Entschädigungen fort, die im Zusammenhang mit der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen geleistet werden. Die Anteilsveräußerung und das schadenstiftende Ereignis, das zur Zahlung einer Entschädigung geführt hat, sind hinsichtlich der erforderlichen Zwangslage grundsätzlich getrennt zu beurteilen. Ebenso wie bei einem freiwilligen Anteilsverkauf der Verzicht auf Versorgungsansprüche unter Zwang erfolgt sein kann, kann auch die Geschäftsführertätigkeit im Anschluss an einen Anteilsverkauf unfreiwillig aufgegeben worden sein. Entscheidend ist, ob der Käufer im Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile auf dem Verzicht oder der Aufgabe bestanden hat. Offenbar spielt es für den BFH keine Rolle, ob der Veräußerer mit einer entsprechenden Forderung des Käufers rechnen musste[2].

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 13.8.2003, XI R 18/02

[2] Vgl. Hutter, Urteilsanmerkung, INF 2003, S. 729

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