Leitsatz
Erlangt aus einem Vertrag zu Gunsten Dritter der begünstigte Dritte einen frei verfügbaren Anspruch auf die Leistung gegen den Versprechenden, ist der Tatbestand des §7 Abs.1 Nr.1 ErbStG erfüllt. Erwerbsgegenstand ist in einem solchen Fall die – als Folge des Abschlusses des Vertrags zu Gunsten Dritter entstandene – Forderung des Dritten gegen den Verpflichteten. Die Steuer entsteht mit der Begründung des Forderungsrechts des Dritten.
Sachverhalt
1990 übertrugen die Eltern des A Grundstücke auf ihre Tochter B, die verpflichtet war, A "die Hälfte des Grundbesitzes … unentgeltlich zu übereignen". Im Falle eines Verkaufs war B gehalten, die Zustimmung des A einzuholen und den Erlös mit ihm zu teilen. Zu einer Übertragung von Grundstückseigentum auf A kam es nicht. In den Jahren 1991, 1993 und 1995 veräußerte B Grundstücke und teilte die Verkaufserlöse mit A. 1998 veräußerte B mit Zustimmung des A zwei weitere Grundstücke und teilte den Verkaufserlös wiederum mit ihm. Das Finanzamt setzte Steuer gegen A wegen des Erwerbs 1998 fest. A machte geltend, der Erwerb sei bereits 1990 erfolgt und die Steuer verjährt.
Entscheidung
Bei Schenkungen unter der Auflage, eine Leistung an einen Dritten (A) zu erbringen, ist entscheidend, ob der begünstigte Dritte aus der Anordnung des Schenkers (Versprechensempfängers) einen frei verfügbaren Anspruch auf die Leistung gegen den Versprechenden (B) erlangt hat. Ist dies der Fall, ist der Tatbestand des §7 Abs.1 Nr.1 ErbStG erfüllt. Erwerbsgegenstand ist in einem solchen Fall die Forderung des Dritten (A) gegen dem Verpflichteten (B) und nicht der später tatsächlich übertragene Gegenstand. Die Steuer entsteht in diesen Fällen nach §9 Abs.1 Nr.2 ErbStG mit der Ausführung der Zuwendung, d.h. mit der Begründung des Forderungsrechts des Dritten. Zur Ausführung der Zuwendung i.S. von §9 Abs.1 Nr.2 ErbStG bedurfte es keines weiteren Vollzugs. Bei einem Vertrag zu Gunsten Dritter entsteht das Forderungsrecht originär in der Person des Dritten ohne seine Mitwirkung allein auf Grund des Vertrags zwischen dem Versprechensempfänger (Eltern) und dem Versprechenden (B).
Im Streitfall stand A aus dem Vertrag seiner Eltern mit B ein frei verfügbarer Anspruch gegen B auf Übertragung von (Mit-) Eigentum an bestimmten Grundstücken zu. Denn B war verpflichtet, dem A "die Hälfte des Grundbesitzes … unentgeltlich zu übereignen". Damit ist die Zuwendung bereits 1990 in der Person des A i.S. von §9 Abs.1 Nr.2 ErbStG ausgeführt und die Steuer entstanden. Der Anspruch auf Erlösauskehr unterliegt nicht zusätzlich der Erbschaftsteuer; er ist gegenüber dem Übereignungsanspruch keine zusätzliche Leistung, sondern Ausfluss der Rechtsposition, die A mit der Zuwendung des Übereignungsanspruchs erlangt hat.
Praxishinweis
Anders wäre zu entscheiden, wenn A als begünstigter Dritter keinen frei verfügbaren, sondern z.B. nur einen aufschiebend bedingten Anspruch auf eine bestimmte Leistung erlangt hätte. Tatbestandlich fiele dies unter §7 Abs.1 Nr.2 ErbStG; Erwerbsgegenstand wäre dann dasjenige gewesen, was A von B in Vollzug der Auflage letztlich erhalten hätte, nämlich das Geld. Die Steuerpflicht wäre erst mit dem Erwerb der versprochenen Leistung durch A, d.h. mit dem Vollzug der Auflage oder der Erfüllung der Bedingung eingetreten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.01.2005, II R 20/03BFH-Urteil vom 20.1.2005, II R 20/03