Leitsatz

Der Erbbauzins für ein Erbbaurecht an einem privaten Grundstück gehört zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Der bewertungsrechtliche Ansatz des Erbbauzinsanspruchs als sonstiges Vermögen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17.7.1995, 1 BvR 892/89, BStBl II 1995, S. 810 = INF 1995, S. 734) steht dieser Beurteilung nicht entgegen.

 

Sachverhalt

A hatte 1991 ein Grundstück geerbt, das 1975 auf 99 Jahre mit einem Erbbaurecht belastet worden war. Später wurden das Grundstück und das Erbbaurecht geteilt. Der Anspruch auf Erbbauzinsen wurde in verschiedenen Bescheiden vermögen- und erbschaftsteuerrechtlich als sonstiges Vermögen erfasst. In ihrer Einkommensteuererklärung 1995 erklärte A Erbbauzinsen in Höhe von 68208 DM und Pachteinnahmen in Höhe von 9885 DM. Nach Abzug von Werbungskosten ergab sich ein Überschuss von 58116 DM. Gegen den erklärungsgemäß ergangenen Einkommensteuerbescheid legte A Einspruch ein und machte unter anderem geltend, die Rechtsprechung des BFH, nach der Erbbauzinsen zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehörten, sei durch den Beschluss des BVerfG vom 17.7.1995[1] überholt. Einspruch, Klage und Revision blieben erfolglos.

 

Entscheidung

Der BFH nahm zunächst Bezug auf die einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, wonach Erbbauzinsen zu den Einnahmen nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören. Das Erbbaurecht begründet für den Berechtigten ein vererbliches und veräußerliches dingliches Recht, auf oder unter der Oberfläche des Grundstücks ein Bauwerk zu haben. Grund und Boden einschließlich zu errichtender Gebäude fallen nach Ablauf der vereinbarten Dauer des Erbbaurechts an den Eigentümer des Bodens zurück. Danach ist der Erbbauzins ein Entgelt für die Einräumung eines zeitlich begrenzten dinglichen Nutzungsrechts am Grund und Boden.

Aus dem Beschluss des BVerfG[2] ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Das BVerfG hatte sich lediglich damit zu befassen, ob der gesonderte Ansatz des Erbbauzinses nach § 92 Abs. 5 BewG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar war. Gemäß § 92 Abs. 1 BewG ist für das belastete Grundstück ein Einheitswert zu bestimmen, der – wenn die Dauer des Erbbaurechts wie hier mehr als 50 Jahre beträgt – allein dem Erbbauberechtigten zuzurechnen ist. Der Erbbauzinsanspruch ist beim Grundstückseigentümer und die Erbbauzinsverpflichtung beim Erbbauberechtigten jeweils mit dem Kapitalwert anzusetzen. Diese Regelung hat das BVerfG als in sich folgerichtig beurteilt; sie steht nicht in Widerspruch zur Erfassung der Erbbauzinsen als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Auch nach Auffassung des BVerfG erwirtschaftet der Grundstückseigentümer durch den Erbbauzins eine laufende Rendite. Allein dies ist einkommensteuerrechtlich maßgebend und erfordert es, in allen diesen Fällen das Nutzungsentgelt als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen und damit die durch das Nutzungsentgelt gesteigerte Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Sonst ergäbe sich ein Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und eine Privilegierung des Erbbauzinses im Vergleich zu anderen Nutzungsentgelten, die – weil sachlich nicht begründbar – mit Art. 3 Abs. 1 GG kaum vereinbar wäre.

Indem der Erbbauzins bewertungsrechtlich mit seinem Kapitalwert als sonstiges Vermögen angesetzt[3] und zugleich einkommensteuerrechtlich als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung erfasst wird, wird er nicht systemwidrig doppelt steuerlich belastet. Bei der Nutzungsüberlassung von Grundstücken des Privatvermögens wird in allen Fällen, bei Miet- und Pachtverträgen ebenso wie beim Erbbaurecht, die Vermögenssubstanz allein bewertungsrechtlich erfasst. Das Einkommensteuerrecht erfasst hingegen – abgesehen von der Sonderregelung des § 23 EStG – das private Grundvermögen nicht, sondern nur die daraus erwirtschafteten Erträge. Die Besonderheit des Erbbaurechts besteht lediglich darin, dass die bewertungsrechtlich zu berücksichtigende Vermögenssubstanz nach § 92 BewG auf zwei verschiedene Wirtschaftsgüter verteilt wird, nämlich auf das Grundstück und das dinglich davon getrennte Recht zur Bebauung. Bei einer Laufzeit von mindestens 50 Jahren verdrängt das Erbbaurecht das Eigentum an Grund und Boden wirtschaftlich insoweit, dass seine Erfassung und Zurechnung beim Eigentümer nicht mehr gerechtfertigt erscheint[4].

Diese systemtragende Grundentscheidung, die die Bewertung des Erbbaurechts kennzeichnet, hat der Gesetzgeber auch folgerichtig durchgeführt, indem das Gesetz eine Relation zwischen dem Kapitalwert des Erbbauzinses[5] und dem Anteil am Bodenwert[6] herstellt. Maßgeblich ist somit die Überlegung, dass der Erbbauverpflichtete nur in dem Maße in sein Eigentum (wieder) hineinwachsen kann, wie der Kapitalwert des Erbbauzinses abnimmt. Damit ist grundsätzlich sichergestellt, dass der auf den Erbbauverpflichteten entfallende Anteil am Grundstückswert zusammen mit dem Kapitalwert des ...

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