Prof. Dr. Helmut Weingärtner
Freundschaftliches Verhältnis
Seit vielen Jahren betreute die Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes die ledige und kinderlose Erblasserin. Sie hatten sich kennengelernt, als die Erblasserin für längere Zeit im Krankenhaus lag. Die Geschäftsführerin besuchte sie seitdem regelmäßig. Sie unternahmen gemeinsame Ausflüge und zweimal in der Woche aßen sie zusammen zu Mittag.
"Patient" setzt Pflegepersonal als Erbe ein
Etwa ein Jahr vor ihrem Tod schlossen die beiden einen notariellen Erbvertrag, in dem die Geschäftsführerin als alleinige Erbin eingesetzt wurde. Nach dem Tod der Erblasserin erteilte das Amtsgericht der Geschäftsführerin auf Grundlage des Erbvertrags einen Erbschein. Der Wert des Nachlasses betrug rund 100.000 EUR.
Gesetzlich normiertes Verbot
Der Regierungspräsident als Aufsichtsbehörde leitete ein Bußgeldverfahren gegen die Geschäftsführerin wegen Verstoßes gegen das in § 7 des Hessischen Gesetzes über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP) normierte Verbot, sich Geld oder geldwerte Sachen versprechen zu lassen. Daraufhin zog das Nachlassgericht den Erbschein als unrichtig wieder ein.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Geschäftsführerin wies das Oberlandesgericht nach Vernehmung mehrerer Zeugen mit folgender Begründung zurück:
Erbeinsetzung ist unwirksam
Die Geschäftsführerin sei nicht Alleinerbin geworden. Der Erbvertrag sei wegen Verstoßes gegen § 7 HGBP unwirksam. Diese gesetzliche Regelung untersage der Leitung und den Mitarbeitern einer Betreuungs- oder Pflegeeinrichtung, sich von Betreuungs- und Pflegebedürftigen neben der vereinbarten Vergütung Geld oder geldwerte Leistungen versprechen oder gewähren zu lassen. Anders als die Vorgängernorm (§ 14 Heimgesetz) erstrecke sich die Vorschrift nunmehr ausdrücklich auch auf ambulante Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen und deren Leitung. Es solle hierdurch verhindert werden, dass hilf- oder arglose alte und pflegebedürftige Menschen in finanzieller Hinsicht ausgenutzt werden. Die Vorschrift diene auch dazu, ihre Testierfreiheit zu sichern.
Beweislast
Die entscheidende Frage war daher vorliegend, ob die Erbeinsetzung im Zusammenhang mit der Erfüllung der Pflichten aus dem Pflegevertrag erfolgte oder unabhängig hiervon aufgrund freundschaftlicher Beziehung. Das Gericht war der Ansicht, dass im vorliegenden Fall eine eindeutige Trennung zwischen dienstlicher und freundschaftlicher Beziehung nicht erkennbar sei. Es bestehe eine gesetzliche Vermutung für den Zusammenhang mit den Pflegeverpflichtungen, die nur durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden könne. Obgleich nach der Beweisaufnahme davon auszugehen sei, dass zwischen der Leiterin und der Erblasserin eine freundschaftliche und eine über eine Geschäftsbeziehung hinausgehende Bindung vorgelegen habe, sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass kein Zusammenhang zwischen dem Erbvertrag und den Pflegeleistungen gestanden habe. Eine eindeutige Trennung zwischen dienstlicher und freundschaftlicher Beziehung sei nicht erkennbar und dürfte bei der vorliegenden Konstellation praktisch auch nicht möglich sein. Gerade in Fällen unklarer Beweislage, in denen die Motive und Gründe sowie die Zusammenhänge der Zuwendung offen blieben, müsse das Verbot im Interesse des Schutzes der Testierfreiheit eingreifen.
(OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 12.5.2015, 21 W 67/14)