Leitsatz
Der Erwerb von Wohnungseigentum von Todes wegen durch ein Kind ist nicht steuerbefreit, wenn das Kind die Wohnung nicht selbst nutzt, sondern unentgeltlich einem Dritten zur Nutzung überlässt. Das gilt auch bei einer unentgeltlichen Überlassung an nahe Angehörige.
Normenkette
ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4c
Das Problem
Tochter (K) ist Alleinerbin ihres im Januar 2010 verstorbenen Vaters (V), nachdem ihre Mutter (M) als testamentarisch eingesetzte Erbin die Erbschaft nach V ausgeschlagen hat. Zum Nachlass gehört unter anderem ein Miteigentumsanteil zu 1/2 an einem Wohnungseigentumsrecht. V hat zusammen mit M die Wohnung bis zu seinem Tod selbst bewohnt. Nach dem Tod des V wohnt M weiterhin in der Wohnung. K überlässt M ihren hälftigen Miteigentumsanteil unentgeltlich zur Nutzung. Sie selbst übernachtet dort gelegentlich und nutzt einen Raum der Wohnung für die Verwaltung des Nachlasses. In ihrer Erbschaftsteuererklärung beantragt K für den Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils an der Wohnung die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).
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§ 13 ErbStG. Steuerbefreiungen (1) Steuerfrei bleiben … 4c. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 und der Kinder verstorbener Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter nicht übersteigt. Ein Erwerber kann die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. Gleiches gilt, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Miterben überträgt. Überträgt ein Erbe erworbenes begünstigtes Vermögen im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des hingegebenen Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens. Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert; … |
Das Finanzamt B gewährt die Steuerbefreiung nicht. Die unentgeltliche Überlassung des Miteigentumsanteils an M stelle keine Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG dar.
Die Entscheidung
Der Bundesfinanzhof sieht das auch so. Nach seinem Wortlaut erfasse die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG eine auf einem bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 BewG gelegene Wohnung, wenn die Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt sei (Familienheim). Eine Wohnung sei zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht habe, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und diese Absicht auch tatsächlich umsetze. Die unentgeltliche Überlassung der Wohnung zur Nutzung an einen Dritten stelle keine Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken dar. Dies gelte auch bei einer unentgeltlichen Überlassung an Angehörige.
Kommentar
Eine einmal begründete Steuerbefreiung fällt weg, wenn der Erwerber eine Wohnung durch die Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken als Familienheim bestimmt hat und später das Familienheim innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken nutzt. Die Aufgabe der Selbstnutzung zu Wohnzwecken führt grundsätzlich zum Wegfall der Steuerbefreiung, es sei denn, der Erwerber ist aus zwingenden Gründen am weiteren Bewohnen des Familienheims gehindert.
Was ist für den Verwalter wichtig?
Ein Beschluss, der jeden neuen Wohnungseigentümer zwänge, sich zu "offenbaren" (Daten, Adresse usw.), ist nach herrschender Meinung nichtig.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 5.10.2016, II R 32/15