Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung eines bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht erfüllten Werkvertrags, wird die Werklieferung, wenn keine Teilleistungen gesondert vereinbart worden sind, erst mit der Leistungserbringung nach Verfahrenseröffnung ausgeführt. Bei der hierauf entfallenden Umsatzsteuer handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit, soweit das vereinbarte Entgelt nicht bereits vor Verfahrenseröffnung vereinnahmt wurde.
Sachverhalt
Die B-Bau-KG, die nach vereinbarten Entgelten versteuerte, hatte bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mehrere Bauvorhaben noch nicht fertig gestellt. Insoweit lagen zwischen der B-KG und ihren Auftraggebern weder Vereinbarungen über Teilleistungen noch Abrechnungen über die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachten Leistungen vor. Die B-KG hatte bis zur Verfahrenseröffnung lediglich die in Rechnung gestellten Abschläge vereinnahmt. Der Insolvenzverwalter verlangte jeweils Vertragserfüllung nach§ 103 Abs. 1 InsO und stellte die Bauvorhaben fertig.
Nach Auffassung des Insolvenzverwalter war nur die Umsatzsteuer auf Umsätze aus den von ihm nach Eröffnung des Verfahrens fertig gestellten Bauvorhaben Masseverbindlichkeiten; die auf die zuvor ausgeführten Arbeiten entfallende Umsatzsteuer seien nur Insolvenzforderung i.S. v. § 38 InsO. Das Finanzamt behandelte dagegen die vom Insolvenzverwalter vereinnahmten Entgelte für die nach Verfahrenseröffnung fertig gestellten Bauvorhaben entfallende Umsatzsteuer in voller Höhe als Masseverbindlichkeiten.
Der BFH folgte dieser Auffassung. Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt, bestimmt sich nach sich nach dem Umsatzsteuergesetz, nicht nach dem Insolvenzrecht. Kommt es umsatzsteuerrechtlich zur vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Verfahrenseröffnung, handelt es sich um eine Insolvenzforderung; erfolgt die vollständige Tatbestandsverwirklichung dagegen erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor.
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG entsteht bei der Sollbesteuerung die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die (Teil)Leistungen ausgeführt worden sind. Wird ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, entsteht insoweit die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist. Werden die Leistungen erst nach Verfahrenseröffnung erbracht, liegen Masseverbindlichkeiten insoweit vor, als die Entgelte hierfür nicht bereits vor Verfahrenseröffnung erbracht wurden. Aus dem Verlust der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergibt sich umsatzsteuerrechtlich keine Vereinbarung von Teilleistungen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 30.4.2009, V R 1/06.