Prof. Dr. Edeltraud Günther, Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Beruht die Erhöhung der dem ersten Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Lohnsteuerschuld auf neuen im Rahmen einer Außenprüfung festgestellten Tatsachen, ist das Finanzamt zum Erlass eines ergänzenden Haftungsbescheides berechtigt.
Sachverhalt
Im Urteilsfall hatte das Finanzamt die Geschäftsführerin einer Ltd. für die für das Jahr 2005 angemeldeten bzw. geschätzten Lohnsteuerbeträge nach § 69 AO in Haftung genommen. Nach einer Lohnsteueraußenprüfung ergab sich, dass die angemeldeten bzw. geschätzten Lohnsteuerbeträge aufgrund nicht versteuerter Spesenzahlungen zu gering waren. Das Finanzamt erließ daraufhin einen weiteren Haftungsbescheid, der die bisher nicht berücksichtigte Lohnsteuer (den "Mehrbetrag") erfasste.
Der BFH hielt dies für zulässig und entschied, dass wenn die Erhöhung der Steuerschuld auf neuen Tatsachen beruht, die das Finanzamt mangels Kenntnis im ersten Haftungsbescheid nicht berücksichtigen konnte, ein ergänzender Haftungsbescheid zulässig ist. Der Erlass eines zweiten Haftungsbescheids ist auch dann nicht zu beanstanden, wenn dem ersten Haftungsbescheid kein ausdrücklicher Vorbehalt zu entnehmen war, zunächst nur einen Teilbetrag der Steuerschuld geltend machen zu wollen. Denn die Lohnsteueranmeldung steht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 AO) und eine Schätzung ist naturgemäß ungewiss, sodass die Haftungsschuldnerin bei einer Erhöhung der Lohnsteuerschuld infolge einer Außenprüfung mit einem ergänzenden Nachforderungsbescheid rechnen musste.
Hinweis
Die Entscheidung ist die folgerichtige Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung, die besagt, dass einem weiteren Haftungsbescheid ein erster Haftungsbescheid entgegensteht, in dem der Haftungsbetrag zu niedrig festgesetzt worden ist, obwohl die Steuerschuld, für die gehaftet wird, tatsächlich mit einem höheren Betrag entstanden ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 15.2.2011, VII R 66/10.