Leitsatz (amtlich)
Der während des Verfahrens über den Einspruch gegen den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid bekanntgegebene Umsatzsteuer-Jahresbescheid wird gemäß § 365 Abs. 3 AO 1977 Gegenstand des Einspruchsverfahrens.
Sachverhalt
Das Finanzamt setzte im USt-Vorauszahlungsbescheid für I/1995 vom 24.6.1996 USt in Höhe von 6 750 DM gemäß § 14 Abs. 2 UStG 1993 an. Dagegen legte die Klägerin rechtzeitig Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens setzte das Finanzamt die USt für 1995 im Jahresbescheid vom 11.12.1996 fest und erhöhte die erklärten steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin um 45 000 DM. Am 5.2.1997 wies das Finanzamt den Einspruch gegen den USt-Vorauszahlungsbescheid als unbegründet zurück, weil dem Begehren der Klägerin auf Änderung des angefochtenen USt-Vorauszahlungsbescheids nach Wirksamwerden des USt-Jahressteuerbescheids für 1995 nicht entsprochen werden könne. Das FG gab der Klage statt und hob die Einspruchsentscheidung auf. Die Revision des Finanzamts blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Der während des Einspruchsverfahrens bekanntgegebene USt-Jahresbescheid 1995 wurde anstelle des USt-Vorauszahlungsbescheids I/1995 Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Das folgt aus § 365 Abs. 3 Satz 1 AO. Diese Vorschrift soll nach der Gesetzesbegründung"verhindern, dass der Rechtsbehelfsführer ohne Einlegung eines erneuten Rechtsbehelfs aus dem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren hinausgedrängt wird, wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt geändert oder durch einen neuen Verwaltungsakt ersetzt wird". Daraus ist die Vorstellung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass der Rechtsbehelfsführer keinen erneuten Einspruch einzulegen braucht, weil der ursprünglich eingelegte Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt wirkt.
Der USt-Jahresbescheid 1995 ersetzte den USt-Vorauszahlungsbescheid I/1995 i.S. von § 365 Abs. 3 Satz 1 AO. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung löst der USt-Jahresbescheid die USt-Festsetzun-gen für Vorauszahlungszeiträume ab. Die USt-Jahresfestsetzung nimmt materiellrechtlich den Inhalt der USt-Vorauszahlungsfestsetzungen in sich auf. Dadurch erledigen sich die Steuerfestsetzungen für Vorauszahlungszeiträume "auf andere Weise". Für das materielle Ergebnis der im Kalenderjahr positiv oder negativ entstandenen USt ist mit seiner Bekanntgabe ausschließlich der USt-Jahresbescheid maßgebend. Nur die verfahrensrechtlichen Wirkungen des USt-Vorauszahlungsbescheids bleiben bestehen.
Im Unterschied zu § 68 FGO tritt die Wirkung nach § 365 Abs. 3 AO ohne eine Erklärung des Einspruchsführers kraft Gesetzes ein. Das Einspruchsverfahren kennt im Unterschied zum finanzgerichtlichen Verfahren keinen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit und ist nicht kostenpflichtig. Vielmehr fördert § 365 Abs. 3 AO im Interesse der Verfahrensökonomie eine abschließende Entscheidung in der Sache, die durch die Prüfung der Rechtmäßigkeit des USt-Jahresbescheids gegeben ist.
Link zur Entscheidung
BFH vom 4.11.1999 - V R 35/98