Leitsatz

  1. Ein Abhilfebescheid i.S. des § 367 Abs. 2 AO liegt auch vor, soweit sich der Bescheid teilweise als dem Einspruchsführer nachteilig erweist, er dieser Änderung aber nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Halbsatz 1 AO zugestimmt hat.
  2. Erklärt sich der steuerliche Berater mit der vom Außenprüfer in der Schlussbesprechung vorgeschlagenen Behandlung bestimmter Einkünfte einverstanden, kann darin nach den Umständen des Einzelfalls eine Zustimmung im o.g. Sinn zu einer Änderung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen liegen, auch wenn die Erklärung lediglich in Anwesenheit von Angehörigen der Betriebsprüfungsstelle abgegeben wird.
 

Sachverhalt

Die Gesellschafter einer GbR, für die das Finanzamt zunächst erklärungsgemäß – unter dem Vorbehalt der Nachprüfung – Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 244000 DM festgestellt hatte, wandten sich per Einspruch gegen die aufgrund einer Außenprüfung für frühere Jahre erfolgte Aufhebung des Feststellungsbescheids, mit dem das Finanzamt eine Mitunternehmerschaft verneinte. Nach Durchführung einer Außenprüfung für das Streitjahr bejahte das Finanzamt eine Mitunternehmerschaft und ermittelte einen Gewinn von 600000 DM. Die Erhöhung gegenüber der Erklärung beruhte vorwiegend auf Gesellschafterleistungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Im Prüfungsbericht heißt es hierzu: "Diese Behandlung wird auch von dem Steuerpflichtigen und seinem Steuerberater mitgetragen und kann zur weiteren Bearbeitung der noch anhängigen Rechtsbehelfe für die Vorjahre entsprechend angewandt werden". An der Schlussbesprechung zu der Außenprüfung nahmen einer der Gesellschafter, der jetzige Prozessbevollmächtigte sowie seitens der Verwaltung der Prüfer und ein Sachgebietsleiter der Außenprüfung teil.

Das Finanzamt erließ daraufhin einen Sammeländerungsbescheid "gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 AO" für die Gewinnfeststellung u.a. des Streitjahres, mit dem zugleich der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde und der ausweislich einer Erläuterung zum Bescheid zur Erledigung der anhängigen Einspruchsverfahren erging. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit betrugen 1992 danach 600000 DM. Nach Meinung der Gesellschafter war der Einspruch gegen den Gewinnfeststellungsaufhebungsbescheid 1992 damit nicht erledigt. Darauf verwarf das Finanzamt den Einspruch als unzulässig. Das FG hob die Einspruchsentscheidung auf und verpflichtete das Finanzamt, die Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

 

Entscheidung

Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, weil die Feststellungen des FG nicht seine Entscheidung rechtfertigen, der Einspruch sei noch nicht durch Abhilfe erledigt.

Das Einspruchsverfahren ist mit dem Abhilfebescheid erledigt[1]; ein gleichwohl aufrechterhaltener Einspruch ist als unzulässig zu verwerfen[2]. Ein solcher Abhilfebescheid i.S. des § 367 Abs. 2 AO liegt – so der BFH – auch vor, soweit sich der Bescheid teilweise, wie im Streitfall, als dem Einspruchsführer nachteilig erweist, er dieser Änderung aber nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Halbsatz 1 AO zugestimmt hat.

 

Praxishinweis

1 Die Entscheidung liegt auf einer Linie mit dem BFH-Urteil vom 14.11.1989[3]. Danach kann das von einem Steuerberater erklärte Einverständnis mit der vom Finanzamt in der Schlussbesprechung vorgeschlagenen Behandlung bestimmter Einkünfte als Zustimmung zu einer Änderung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO beurteilt werden, ohne dass insoweit die formalen Voraussetzungen für eine sogenannte tatsächliche Verständigung erfüllt sein müssen. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass die Erklärung gegenüber einem Sachgebietsleiter der Veranlagungsstelle abgegeben wird, wenn die Zustimmung unabhängig von der Bindung des Finanzamts an eine bestimmte Sachbehandlung erfolgt. Es reicht dann aus, wenn die Zustimmung gegenüber den anwesenden Vertretern der Finanzverwaltung erklärt wird, auch wenn diese sämtlich der Betriebsprüfungsstelle angehören.
2 Ob sich mit dem Begriff eines Abhilfebescheids allerdings noch ein Bescheid vereinbaren lässt, der – anders als im Streitfall – unter keinem Aspekt dem mit dem Einspruch verfolgten Ziel entspricht, hat der BFH ausdrücklich offengelassen.
 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 05.06.2003, IV R 38/02

[2] Vgl. von Wedel, in: Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 367 AO 1977 Rz. 15

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