Leitsatz (amtlich)

Leistet ein Arbeitgeber seinem (früheren) Arbeitnehmer wegen Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine einmalige Abfindung und zur Überbrückung der Arbeitslosigkeit monatliche Ausgleichszahlungen, so sind diese Leistungen insgesamt auch dann im Jahr ihrer Zahlung tarifvergünstigt zu versteuern, wenn die Ausgleichszahlungen in einem späteren Veranlagungszeitraum fortgeführt werden.

 

Sachverhalt

Der 1936 geborene Kläger arbeitete seit 1.7.1968 bei der X-GmbH. Diese traf im Zuge eines Personalabbaus mit dem Betriebsrat eine Regelung, nach der die Beschäftigten freiwillig gegen eine Einmalabfindung ausscheiden oder in Frühpension gehen sollten. Bei Ausscheiden gegen Abfindung sollte ein Einmalbetrag bezahlt werden, der sich nach dem Lebensalter und den Dienstjahren des Arbeitnehmers bemaß. Außerdem sollten diese Mitarbeiter bei anschließender Arbeitslosigkeit von der X-GmbH bis zu 12 Monaten eine Ausgleichszahlung in Höhe der Differenz zwischen 85 % der bisherigen Nettobezüge und dem Arbeitslosengeld sowie möglichen Leistungen eines Unterstützungsvereins erhalten. Der Kläger machte von diesem Angebot Gebrauch. Sein Arbeitsvertrag wurde einvernehmlich zum30.6.1993 aufgehoben. Die X-GmbH zahlte ihm eine Abfindung von rd. 300 000 DM, ferner erhielt er eine Jubiläumsgabe, außerdem Zuschüsse zum Arbeitslosengeld von insgesamt 32 708 DM. Bis einschließlich Juni 1994 erhielt er monatliche Ausgleichszahlungen von jeweils 5 451 DM. Das Finanzamt erfasste im ESt-Bescheid 1993 sowohl die einmalig gezahlte Abfindung als auch die Zuzahlungen der X-GmbH zum Arbeitslosengeld nach Abzug eines Freibetrages von 36 000 DM gemäß § 3 Nr. 9 EStG als Arbeitslohn und unterwarf sämtliche Zahlungen dem normalen ESt-Tarif. Die Jubiläumsgabe wurde nicht gemäß § 34 Abs. 3 EStG tarifermäßigt besteuert, weil dabei eine höhere steuerliche Belastung entstanden wäre. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Sind im zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist die darauf entfallende ESt nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen[1]. Als außerordentliche Einkünfte kommen nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG in Betracht. Dem Sinn und Zweck der Steuerbegünstigung entsprechend - Ausgleich von Progressionsnachteilen - sind Entschädigungen aber nur dann außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 EStG, wenn sie zusammengeballt in einem Betrag gezahlt werden. Wird eine Entschädigung in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen ausgezahlt, scheidet grundsätzlich in sämtlichen Veranlagungszeiträumen, in denen Teile der Entschädigung ausgezahlt werden, d.h. auch im Veranlagungszeitraum der ersten Auszahlungsrate, eine Steuerermäßigung nach § 34 EStG aus. Entschädigungen, die aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gewährt werden, sind grundsätzlich einheitlich zu beurteilen. Sie müssen zum Zweck der Tarifvergünstigung grundsätzlich in einem Veranlagungszeitraum zufließen[2]. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hält der Senat indessen in solchen Fällen für geboten, in denen neben einer Hauptentschädigung aus Gründen der sozialen Fürsorge eine gewisse Übergangszeit in späteren Veranlagungszeiträumen Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden[3]. Das sind beispielsweise solche Leistungen, die der (frühere) Arbeitgeber dem Steuerpflichtigen zur Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels oder als Anpassung an eine dauernde Berufsaufgabe und Arbeitslosigkeit erbringt. Die Unbeachtlichkeit solcher ergänzenden Zusatzleistungen beruht auf einer zweckentsprechenden Auslegung des § 34 EStG unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit[4].

Danach stehen die dem Kläger im Veranlagungszeitraum 1994 zugeflossenen monatlichen Ausgleichszahlungen der tarifbegünstigten Besteuerung der Abfindung einschließlich der im Streitjahr 1993 gezahlten Zuschüsse zum Arbeitslosengeld nicht entgegen. Sie sind sozial motiviert. Insbesondere Sozialpläne und Regelungsabreden haben (auch) eine auf Fürsorgeüberlegungen basierende Über-leitungs- und Vorsorgefunktion. Dasselbe bezwecken vergleichbare Vereinbarungen des (früheren) Arbeitgebers mit den grundsätzlich nicht von Sozialplänen erfassten leitenden Angestellten. So sollten auch die im Streitfall vom früheren Arbeitgeber für den Fall künftiger Arbeitslosigkeit vorübergehend gezahlten Zuschüsse den Übergang in eine möglicherweise andauernde Arbeitslosigkeit erleichtern.

Die Sache ist nicht spruchreif. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zur Entschädigung für entgehende Einnahmen sämtliche Leistungen, zu denen sich der (frühere) Arbeitgeber im Aufhebungsvertrag verpflichtet hat, soweit sie nicht Erfüllung des bisherigen Arbeitsvertrages sind. Demnach kann neben der "Abfindung" und den Zuschüssen zum Arbeitslosengeld auch die Jubiläumsgabe Teil der ta...

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