Leitsatz
- Soweit nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG 1993/1999 Taxifahrten unterschiedlich behandelt werden, als Fahrten innerhalb einer Gemeinde unabhängig von der konkreten Fahrtstrecke immer als Nahverkehrsfahrt ermäßigt zu besteuern sind, während dies für Taxifahrten außerhalb einer Gemeinde nur dann gilt, wenn die einzelne Fahrt 50 km nicht überschreitet, ist dies als gesetzgeberische Typisierung verfassungsgemäß.
- Hin- und Rückfahrt sind eine (einheitliche) Beförderungsleistung i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG 1993/1999, wenn vereinbarungsgemäß die Fahrt nur kurzfristig unterbrochen wird und der Fahrer auf den Fahrgast wartet ("Wartefahrt"). Keine einheitliche Beförderungsleistung liegt jedoch vor, wenn das Taxi nicht auf den Fahrgast wartet, sondern ihn später – sei es aufgrund vorheriger Vereinbarung über den Abholzeitpunkt oder aufgrund erneuter Bestellung – wieder abholt und zum Ausgangspunkt zurückbefördert ("Doppelfahrt").
- Bemessungsgrundlage für diese Taxifahrten ist das für die jeweilige Fahrt vereinbarte Entgelt. Dass dies z. T. unter Berücksichtigung unterschiedlicher Tarife für die "Leerfahrt" berechnet wird, ist umsatzsteuerrechtlich ohne Bedeutung.
Sachverhalt
Ein Taxiunternehmer führte u. a. Krankenfahrten zu Ärzten und Dialysekliniken im ländlichen Raum durch, bei denen die einfache Fahrt jeweils unter 50 km betrug, die Hin- und Rückfahrt jedoch zusammengerechnet diese Grenze überschritt. Bei kürzeren Arztbesuchen wartete das Taxi auf den Patienten und fuhr diesen anschließend wieder zurück, während bei längeren Behandlungszeiten das Taxi leer zurückfuhr und den Patienten zum vereinbarten Zeitpunkt aufgrund einer neuen Fahrt wieder abholte. Die Krankenkasse erstattete die jeweils kostengünstigere Alternative. Der Unternehmer ging in den Streitjahren 1997 bis 1999 davon aus, dass bei sämtlichen Fahrten der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG (1993/1999) gelte, weil die einfache Fahrt die in dieser Vorschrift vorgesehene 50 km-Grenze jeweils nicht überschritten habe. Dagegen ging das Finanzamt davon aus, in sämtlichen Fällen sei der Regelsteuersatz anzuwenden, weil die Fahrgäste für die Hin- und Rückfahrt einen einheitlichen Auftrag erteilt hätten. Einsprüche und Klage hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Zur Frage der Bestimmung der Beförderungsgrenze von 50 km bezog sich der BFH auf sein kurz zuvor ergangenes Urteil v. 31.5.2007 (V R 18/05):
Eine einheitliche Beförderungsleistung im Nahverkehr i. S. des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG ist dann anzunehmen, wenn bei vereinbarter Hin- und Rückfahrt die Fahrt nur kurzfristig unterbrochen wird und der Fahrer vereinbarungsgemäß auf den Fahrgast wartet ("Wartefahrt").
Keine einheitliche Beförderungsleistung liegt jedoch vor, wenn das Taxi nicht auf den Fahrgast wartet, sondern später – sei es aufgrund vorheriger Vereinbarung über den Abholzeitpunkt oder aufgrund erneuter Bestellung – wieder abholt und zum Ausgangspunkt zurückbefördert ("Doppelfahrt"). In diesem Fall ist mangels Einheitlichkeit der Beförderungsleistung die Gesamtfahrtstrecke nicht zusammenzurechnen und die beiden Fahrten sind als Nahverkehrsleistungen mit dem begünstigten Steuersatz abzurechnen, wenn die als einheitliche Nahverkehrsleistung zu wertende Hinfahrt 50 km nicht überschreitet.
Es kommt nicht darauf an, dass Fahrten aufgrund einer einzigen Vertragsgrundlage erbracht werden.
Über den Umfang der mit dem Regelsteuersatz zu besteuernden Fahrten hat das Finanzgericht noch zu entscheiden. Hierfür konkretisierte der BFH nochmals die Rechtslage: Bemessungsgrundlage für die Beförderung der Kunden zum Zielort ist das hierfür entrichtete Entgelt (§ 10 Abs. 1 UStG). Dass das Beförderungsentgelt unter Berücksichtigung der von den Krankenkassen gezahlten unterschiedlichen "Tarife" für Besetz- und Leerfahrten berechnet wird, ist im Rahmen des § 10 UStG unerheblich.
Hinweis
Der BFH kam zum Ergebnis, die hier einschlägige Regelung stelle eine zulässige gesetzgeberische Typisierung dar. Der durch die Typisierung entstehende Gleichheitsverstoß, der entsteht, wenn der ermäßigte Steuersatz bei einer Taxifahrt von über 50 km innerhalb einer Gemeinde angewendet wird, ist im Interesse der Vereinfachung hinzunehmen, da selbst innerhalb des Gebiets einer Großstadt eine Fahrt von über 50 km nur sehr selten vorkommen dürfte. "Größere Verstöße" gegen den Gleichheitssatz bot der Fall jedenfalls nicht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 19.7.2007, V R 68/05.