Leitsatz
- Die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG für die Beförderung von Personen im genehmigten Linienverkehr ist auch dann gegeben, wenn die Beförderung – wie bei Stadtrundfahrten – dem Freizeit- oder Tourismusverkehr dient.
- Wurde dem Betreiber von Stadtrundfahrten von der zuständigen Verwaltungsbehörde eine straßenverkehrsrechtliche Genehmigung als Linienverkehr nach den §§ 42 oder 43 PersBefG erteilt, ist diese auch von den Finanzbehörden zu beachten, solange sie nicht nichtig ist.
- Umfasst das Beförderungsentgelt für eine Stadtrundfahrt auch Entgelte für die Teilnahme an Führungen zu Sehenswürdigkeiten, handelt es sich um 2 selbstständige Leistungen, von denen nur die Beförderung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Der auf die Führungen mit dem Regelsteuersatz zu besteuernde Anteil ist ggf. im Schätzungswege zu ermitteln.
Sachverhalt
Strittig waren Stadtrundfahrten mit Bandansagen zu Sehenswürdigkeiten an der Fahrtstrecke. Die Fahrgäste konnten an den Haltestellen ein- und aussteigen und ggf. einen späteren Bus zur Weiterfahrt nutzen. Das Entgelt berechtigte auch zur Teilnahme an Führungen. Es lagen unterschiedliche Linienverkehrsgenehmigungen vor. Das FG bestätigte den Anspruch auf den ermäßigten Steuersatz für Personenbeförderungen. Die Revision führte zur Zurückverweisung an das FG.
Entscheidung
Die Genehmigungen zum "Linienverkehr" sind – anders als vom Finanzamt angenommen – nicht unbeachtlich. Gerichte sind an den Inhalt einer Genehmigung gebunden, auch wenn deren Rechtmäßigkeit nur ein anderer Gerichtszweig überprüfen kann. Lediglich Verwaltungsakte, die nichtig sind, sind unbeachtlich. Dass materielles oder Verfahrensrecht unzutreffend angewandt worden ist, reicht dafür nicht aus.
Der Beurteilung als Beförderungsleistung steht nicht entgegen, dass diese touristischen Zwecken diente. Die Bandansagen sind nur Nebenleistungen zur Beförderung. Die Möglichkeit zur Unterbrechung der Fahrt ist für die Beurteilung als Beförderung unerheblich.
2 getrennt zu beurteilende Leistungen lägen jedoch vor, wenn – vom FG nicht festgestellt – die Leistungen zusätzlich zur Beförderung auch zur Teilnahme an nicht ermäßigt zu besteuernden entgeltlichen Führungen berechtigten.
Kommentar
Praxishinweis
§ 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG begünstigt – enger als das Unionsrecht – nur Kurzstreckenbeförderungen; auch eine selektive Anwendung der Ermächtigung zur Einführung eines ermäßigten Steuersatzes ist zulässig. Die Vorschrift gewährt die Ermäßigung für die Beförderung von Personen "im genehmigten Linienverkehr". Maßgeblich ist daher die verkehrsrechtliche Qualifizierung. Weder das nationale noch das Unionsrecht enthält einen Anhaltspunkt für einen Ausschluss von "Beförderungen, die zu touristischen oder Vergnügungszwecken" angeboten werden. Das gilt unabhängig vom Beförderungsmittel für die in § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG beschriebenen Beförderungen.
Link zur Entscheidung
BFH, 30.6.2011, V R 44/10.