Leitsatz

Bei einem Kurzzeitpflegeheim gehören zu den "Pflegekosten" i.S. des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG nicht nur die pflegebedingten Aufwendungen, sondern auch die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung (wie Abschn. 99a Abs. 5 Satz 1 UStR 2000).

 

Sachverhalt

Streitig war die Umsatzsteuerfreiheit der Leistungen eines sog. Kurzzeitpflegeheims nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG im Streitjahr 1997. Es nahm Pflegebedürftige für kurze Zeiträume – meistens vier Wochen – stationär auf und versorgte sie pflegerisch. Den Pflegebedürftigen wurde i.d.R. ein "Pflegesatz" von 100 DM/Tag in Rechnung gestellt, der die Kosten für Betreuung und Grundpflege sowie für Unterkunft und Verpflegung umfasste.

Befreiungsvoraussetzung ist, dass "im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind." Die Heimbetreiberin hielt diese Befreiungsvoraussetzung für erfüllt. Sie rechnete zu den "Pflegekosten" nur die – von ihr mit 60 % des Tagessatzes angesetzten – pflegebedingten Aufwendungen, nicht aber die Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Danach wurden die Kosten der Pflege unstreitig in 29 Fällen (65 %) getragen. Das Finanzamt bezog hingegen auch diese Kosten in die Pflegekosten ein[1] und lehnte die Befreiung ab, weil die Pflegekosten danach nur in 12 von 45 Fällen (26 %) getragen wurden.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Verwaltungsauffassung. Das Kurzzeitpflegeheim erfüllte zwar das Merkmal der "vorübergehenden" Aufnahme. Als solche kann entsprechend § 1a HeimG eine Aufnahme bis zu vier Wochen angesehen werden. Begünstigt werden aber nur Einrichtungen mit der vorgegebenen Übernahmequote der "Pflegekosten". Dazu gilt: Nach § 28 Abs. 1 Nr. 7 SGB XI übernimmt die Pflegeversicherung bei Kurzzeitpflege nur die pflegebedingten Aufwendungen ohne Unterkunft und Verpflegung. Diese muss der Pflegebedürftige selbst tragen. Dagegen übernimmt der Sozialhilfeträger im Falle der Kurzzeitpflege grundsätzlich auch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung[2]. Wenn und soweit Leistungen der Pflegeversicherung nicht erbracht werden oder das BSHG dem Grunde oder der Höhe nach weitergehende Leistungen als die Pflegeversicherung vorsieht, sind Leistungen zur Pflege nach dem BSHG ausnahmsweise nicht subsidiär, sondern originär zu gewähren[3].

Im Ergebnis wird eine sachlich nicht zu rechtfertigende unterschiedliche Behandlung von Kurzzeit- und Dauerpflegeheimen (Alten-, Altenwohn- und Pflegeheimen) nach § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG vermieden. Bei Dauerpflegeheimen nach § 4 Nr. 16 Buchst. d UStG ist die 40 %-Grenze unter Einschluss der Unterkunfts- und Verpflegungskosten zu berechnen, bei Kurzzeitpflegeheimen fallen diese Kosten nur in zeitlich geringerem Umfang an.

 

Praxishinweis

§ 4 Nr. 16 Buchst. e UStG erfasst Einrichtungen, in denen pflegebedürftige Personen zeitweise vollstationär (ganztägig) – Kurzzeitpflegeeinrichtungen – oder teilstationär (tagsüber oder nachts) – Tages- und Nachteinrichtungen – untergebracht und gepflegt werden[4]. Diese Begriffsbestimmung stimmt überein mit dem SGB XI, das Kurzzeitpflege in einer vollstationären Einrichtung[5] und teilstationäre Pflege in Einrichtungen der Tages- oder Nachtpflege[6] unterscheidet. § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG ist seit dem 1.1.1995 auf die Vorschriften des SGB XI abgestimmt. Die umsatzsteuerliche Begünstigung soll damit – wohl sinnvoll – auf Einrichtungen begrenzt werden, deren "Kundenkreis" weitgehend dem Sozialhilfebereich zugehört und den Aufwand für "komfortable Einrichtungen" nicht tragen kann.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 5.2.2004, V R 2/03

[2] Vgl. § 68 Abs. 1 und 2 und § 27 Abs. 3 BSHG
[5] Vgl. § 42 SGB XI
[6] Vgl. § 41 SGB XI

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