Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
- Bezugspunkt für eine Änderung der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen Verluste ist nicht der ESt-Bescheid, sondern grundsätzlich der Verlustfeststellungsbescheid des Verlustentstehungsjahrs (Anschluss an BFH, Urteil vom 17.09.2008, IX R 70/06, BFH/NV 2009 S. 65).
- Ist der verbleibende Verlustabzug erstmals gesondert festzustellen, ist der "bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichene Verlust" nach den einschlägigen materiell-rechtlichen Regelungen in § 10d EStG zu bestimmen.
Sachverhalt
K erzielte Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Im ersten ESt-Bescheid berücksichtigte das Finanzamt einen negativen Gesamtbetrag von 257.000 DM. Der verbleibende Verlustabzug wurde nicht festgestellt. Im geänderten ESt-Bescheid wurde der negative Gesamtbetrag mit 240.000 DM angesetzt. Dementsprechend wurde der verbleibende Verlustabzug zum 31.12.1997 festgestellt. K wandte sich gegen den Änderungsbescheid und hatte vor dem FG Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab dem Finanzamt Recht: Es hatte zutreffend bei der Ermittlung des verbleibenden Verlustabzugs nicht auf den ursprünglichen ESt-Bescheid abgestellt, sondern den Verlust selbstständig ermittelt.
Hinweis
Entscheidend ist, ob Bezugspunkt für die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs der im ESt-Bescheid für das Verlustentstehungsjahr enthaltene oder der nach den materiell-rechtlichen Vorschriften ermittelte negative Gesamtbetrag der Einkünfte ist.
Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustabzug ist nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG gesondert festzustellen. Verbleibender Verlustabzug ist der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichene Verlust, vermindert um die nach § 10d Abs. 1 EStG abgezogenen und die nach § 10d Abs. 2 EStG abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustabzug (§ 10d Abs. 4 Satz 2 EStG). Feststellungsbescheide sind zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit sich die nach § 10d Abs. 4 Satz 2 EStG zu berücksichtigenden Beträge ändern und deshalb der entsprechende Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist (§ 10d Abs. 4 Satz 4 EStG).
Rechtsgrundlage für die erstmalige gesonderte Feststellung ist § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG ist nicht einschlägig, auch wenn sich der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichene Verlust im ESt-Bescheid geändert hat. Erlass, Aufhebung oder Änderung des "entsprechenden Steuerbescheids" sind lediglich Rechtsfolge eines Erlasses, einer Aufhebung oder einer Änderung des Feststellungsbescheids. Nach seinem Zweck ist § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG daher als reine Korrekturvorschrift zu verstehen. Daher kann Bezugspunkt für eine Änderung der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen Verluste nur ein (bereits erlassener) Verlustfeststellungsbescheid des Verlustentstehungsjahrs sein.
Link zur Entscheidung
BFH, 14.07.2009, IX R 52/08.