Leitsätze (amtlich)

  1. Die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfasst den Gewinn aus der Auflösung einer gemäß § 6b Abs. 3 EStG gebildeten Rücklage, wenn der ohne Bildung der Rücklage entstandene Veräußerungsgewinn nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gewerbesteuerfrei gewesen wäre und wenn auch bei der Auflösung der Rücklage die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG vorliegen. Daran fehlt es nicht deshalb, weil der veräußerte Grundbesitz im Zeitpunkt der Auflösung der Rücklage nicht mehr zum Betriebsvermögen gehört (Abweichung vom Senatsurteil vom 28.6.1989,I R 124/88, BStBl II 1990, S. 76).
  2. Die erweiterte Kürzung erfasst jedoch nicht den Gewinnzuschlag gemäß § 6b Abs. 7 EStG.
 

Sachverhalt

Unternehmensgegenstand der Klägerin, einer GmbH, ist ausschließlich die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes und Kapitalvermögens. Im August 1990 veräußerte sie ein unbebautes Grundstück und stellte die dabei aufgedeckten stillen Reserven von 1,15 Mio. DM in eine § 6b-Rücklage ein. Die Rücklage wurde zum 31.12. des Streitjahres 1993 unter teilweiser Verrechnung mit den Herstellungskosten eines Lagerhauses von 209 000 DM aufgelöst. In ihrer GewSt-Erklärung für 1993 kürzte die Klägerin den Gewinn gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG um den Auflösungsgewinn aus der gemäß § 6b EStG gebildeten Rücklage von 941 000 DM sowie um einen Betrag von 169 290 DM aus der Verzinsung der Rücklage gemäß § 6b Abs. 7 EStG.

Das Finanzamt lehnte diese Kürzungen ab. Das FG gab der Klage statt[1]. Die Revision des Finanzamts hatte nur teilweise Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweitigen Festsetzung des einheitlichen GewSt-Messbetrages 1993.

  1. 1. Der Gewinn, der im Streitjahr infolge der Auflösung der gemäß § 6b Abs. 3 EStG gebildeten Rücklage aufgedeckt worden ist, fällt unter die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Zu der hiernach vorzunehmenden Kürzung gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von Grundbesitz[2]. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin nach den Angaben in der Einspruchsentscheidung auch für 1990 einen Antrag gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gestellt hatte, wäre der Gewinn, den die Klägerin 1990 aus der Veräußerung des unbebauten Grundstücks erzielt hat, in die Kürzung einzubeziehen gewesen. Sie hat statt dessen aber entschieden, diesen Gewinn in eine Rücklage gemäß § 6b Abs. 3 EStG einzustellen. Das war auch gewerbesteuerrechtlich zu beachten. Eine Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG kam 1990 hinsichtlich des Veräußerungsgewinns sonach nicht in Betracht. Der Gewinn wirkt sich allerdings im Streitjahr 1993 gewerbeertragsmindernd aus. Voraussetzung für die Gewährung der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG anstelle der pauschalen Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG ist, wie sich aus dem einleitenden Satzteil von § 9 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 GewStG ergibt, - zunächst - nur, dass der fragliche Grundbesitz zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehört. Weitere tatbestandliche Erfordernisse und Einschränkungen bestehen insoweit nicht, insbesondere keine solchen zeitlicher Art. Der Regelungswortlaut steht einer erst späteren Berücksichtigung entsprechender Veräußerungsgewinne folglich nicht entgegen. Aus gesetzessystematischer und teleologischer Sicht wird dies bestätigt. Soweit der Senat[3] einen anderen Standpunkt eingenommen hat, wird dieser nicht aufrechterhalten.
  2. 2. Für den Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG gilt gleiches jedoch nicht. Hierdurch soll die Steuerstundung abgegolten werden, die infolge der Rücklagenbildung für im Ergebnis nicht reinvestierte Veräußerungsgewinne entsteht. Im wirtschaftlichen Ergebnis handelt es sich sonach um die Verzinsung und damit den Gegenwert dafür, dass sich der betreffende Veräußerungsgewinn steuerlich nicht im Wirtschaftsjahr seines Entstehens, sondern erst in einem Folgejahr auswirkt. Anders als der über die Rücklage "gestundete" Veräußerungsgewinn entfällt diese Kompensation sonach nicht auf die Verwaltung des Grundbesitzes, vielmehr auf das in der Rücklage gespeicherte Kapital. Der Zuschlag stellt gleichsam die pauschalierte Erfassung desjenigen Gewinns dar, der auf eine Kapitalnutzung entfällt, für welche das Gesetz ausdrücklich aber keine Kürzung vorsieht[4].
 

Link zur Entscheidung

BFH vom 15.3.2000 - I R 17/99

[2] Vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.4.1987, I R 10/86, BStBl II1987, S. 603 = INF 1987, S. 402; Abschn. 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Sätze 2 und 3 GewStR 1990 = Abschn. 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Sätze 2 und 3 GewStR 1998
[4] Vgl. § 9 Nr. 1 Satz 2 letzter Satzteil GewStG

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