Leitsatz (amtlich)

Der Erwerb des Schlusserben eines gemeinschaftlichen Testaments i.S. des § 2269 Abs. 1 BGB (sog. Berliner Testament) aufgrund eines Anspruchs nach § 2287 BGB gegen den vom letztversterbenden Ehegatten in der Absicht Beschenkten, den Schlusserben zu benachteiligen, unterliegt gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG 1974 der Erbschaftsteuer.

 

Sachverhalt

Durch gemeinschaftliches Testament der Eheleute X (Erblasser), durch das sich die Eheleute gegenseitig als Erben eingesetzt hatten, wurde die Klägerin (Nichte des Erblassers) zur Erbin des beiderseitigen Nachlasses nach dem Tode des Überlebenden (Schlusserbin) eingesetzt. Nach dem Tod seiner 1982 vorverstorbenen Ehefrau verschenkte der Erblasser sein eigenes und das durch den Erbfall nach dem Tode seiner Frau auf ihn übergegangene Vermögen an Dritte (Beschenkte). 1993 verstarb der Erblasser. Die Klägerin machte als Erbin gegen die Beschenkten Ansprüche wegen der sie benachteiligenden Schenkungen des Erblassers entsprechend § 2287 BGB geltend. 1995 kam es zwischen der Klägerin und den Beschenkten zu einem notariellen Vergleich. Hierin verpflichteten sich die Beschenkten, "zur Abgeltung sämtlicher gegenseitiger Ansprüche aus dem Nachlass" sowie "etwa weitergehender Ansprüche … gemäß §§2271, 2287, 2288 BGB" an die Klägerin 450 000 DM zu zahlen. Das Finanzamt unterwarf diesen Betrag der Erbschaftsteuer. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt[1]. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.

 

Entscheidungsgründe

Nach § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG 1974 gilt als vom Erblasser zugewendet auch dasjenige, was ein Vertragserbe aufgrund beeinträchtigender Schenkungen des Erblassers[2] von dem Beschenkten nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung erlangt. Das Tatbestandsmerkmal "Vertragserbe" umschreibt nicht nur die durch Erbvertrag als Erben eingesetzten Personen i.S. von § 1941 Abs. 2 BGB. Vielmehr erfasst § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG 1974 den gesamten zivilrechtlichen Anwendungsbereich des § 2287 BGB mit der Folge, dass jeder Erbe, der gegen benachteiligende Schenkungen eines durch einen Erbvertrag oder durch wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament gebundenen Erblassers durch § 2287 BGB zivilrechtlich geschützt ist, Erwerber i.S. von § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG 1974 sein kann.

Eingefügt wurde die Nr. 7 in § 3 Abs. 2 ErbStG 1974 durch Art. 16 Nr. 1 StÄndG 1992[3] als Reaktion des Gesetzgebers auf das BFH-Urteil vom 6.3.1991[4]. Darin hatte der BFH entschieden, dass der Erwerb eines Erben aufgrund eines Anspruchs nach § 2287 BGB nicht der Erbschaftsteuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 unterliege, und hierzu ausgeführt, dass der Kläger, bei dem es sich - wie im Streitfall - um einen Schlusserben handelte, zwar "Vertragserbe" gemäß § 2287 BGB sei, das nach dieser Vorschrift Erlangte jedoch nicht von Todes wegen i.S. des § 3 Abs. 1 ErbStG 1974 erworben habe. Durch die Gesetzesänderung sollte die durch das BFH-Urteil deutlich gewordene Besteuerungslücke geschlossen werden[5]. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber bei der Einfügung des Tatbestandes des § 3 Abs. 2 Nr. 7 ErbStG 1974 an den schon in der zitierten BFH-Entscheidung verwendeten Begriff des "Vertragserben" i.w.S. anknüpfen und alle Erwerbsvorgänge der durch § 2287 BGB zivilrechtlich geschützten Erben erfassen wollte. Dieser gesetzgeberische Wille hat auch ausreichend Niederschlag im Gesetzestext gefunden.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 8.8.2000 - II R 40/98

[1] Vgl. FG Berlin, Urteil vom 7.4.1998, 5507/96, EFG 1998, S.1601
[2] Vgl. § 2287 BGB
[3] BStBl I1992, S. 146
[4] Vgl. BFH-Urteil vom 6.3.1991, IIR 69/87, BStBl II 1991, S.412
[5] Vgl. BT-Drs. 12/1108, S. 77

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