Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Der Erwerb eines Restitutionsanspruchs steht der Anschaffung des von diesem erfassten Grundstücks gleich. Daher ist der entgeltliche Erwerb des Restitutionsanspruchs und die spätere Veräußerung des rückübertragenden Grundstücks grundsätzlich als Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG anzusehen.
Sachverhalt
A erwarb 1993 vom Berechtigten einen Anspruch auf Rückübertragung eines Grundstücks nach dem VermG für 800000 DM. Dieser Betrag sollte eine Woche nach bestandskräftiger Feststellung durch das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen (ARoV), dass Rückübertragungsansprüche für die Veräußerer bzw. aufgrund dieses Vertrags für den Erwerber bestehen, fällig sein. Im Juli 1995 schloss A einen notariellen Kaufvertrag über das Grundstück mit zwei Erwerbern ab und vereinbarte einen Kaufpreis von 1,8 Mio. DM. Der Vertrag stand unter der "aufschiebenden Bedingung", dass der Bescheid des ARoV über die Rückübertragung des Grundstücks auf den Kläger "rechtsbeständig wird". Sollte der Vorbescheid zum Restitutionsbescheid des ARoV "nicht bis zum 31.12.1995 vorliegen", hatte der Käufer das Recht, "von diesem Vertrag zurückzutreten". Anfang Dezember 1995 erließ das ARoV den Rückübertragungsbescheid, der am 4.1.1996 bestandskräftig wurde. Nachdem A das Finanzamt im Januar 1999 über den Erwerb der Rückübertragungsansprüche und die Veräußerung des Grundstücks informiert hatte, änderte dieses den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1996 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, indem es einen Spekulationsgewinn in Höhe von 1 Mio. DM im Zusammenhang mit der Veräußerung des Grundstücks ansetzte. Nach erfolglosem Einspruch wies das FG die Klage ab. A habe nicht nur einen mit dem Grundstück nicht identischen Rückübertragungsanspruch, sondern Eigentum am Grundstück erworben und dieses Grundstück mit Kaufvertrag vom Juli 1995 innerhalb der zweijährigen Spekulationsfrist weiterveräußert.
Entscheidung
Dieser Wertung folgte der BFH nicht in vollem Umfang. Zweck des § 23 EStG ist es, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen. Daraus ergibt sich das Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut. Dies bedeutet Identität im wirtschaftlichen Sinn. Hier kann nach Auffassung des BFH dahinstehen, ob der Restitutionsanspruch als grundstücksgleiches Recht i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) EStG anzusehen ist; denn der entgeltliche Erwerb des Restitutionsanspruchs und die spätere Veräußerung des rückübertragenen Grundstücks sind als Anschaffungs- und Veräußerungsvorgang anzusehen. Das FG hat damit zutreffend ein Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäft angenommen.
Das zweite Problem des Falls besteht aber in der Bestimmung der Spekulationsfrist; daher musste der BFH das Urteil aufheben und der Klage stattgeben. Denn die Vereinbarung vom Juli 1995 hatte noch nicht zu einem verbindlichen Vertrag geführt. Unabhängig davon, wie man die Bedingung wertet, stand den Käufern ein bis zum 31.12.1995 laufendes Rücktrittsrecht zu. Damit haben die Parteien ohne Einschränkung bindende obligatorische Vertragserklärungen nicht innerhalb der Spekulationsfrist abgegeben.
Praxishinweis
Der erste Teil der Entscheidung beschäftigt sich mit Fragen, die vor allen Dingen vergangenheitsbezogen bedeutsam sind. Die Restitution nach dem VermG dürfte uns in Zukunft immer weniger beschäftigen. Es ist die wirtschaftliche Prägung der sog. "Nämlichkeit", die einen Restitutionsanspruch mit einem Grundstück gleichstellt. Im zweiten Teil der Entscheidung kommt der BFH zu Problemen, die sich bei der Berechnung der Spekulationsfrist stellen. Diese orientiert sich nicht am Übergang des (wirtschaftlichen) Eigentums, sondern am schuldrechtlichen Geschäft. Hier stellt das Urteil klar, dass die abgegebenen Erklärungen die Parteien binden müssen – und das ist nicht der Fall, wenn ihnen noch ein Rücktrittsrecht zusteht. Dadurch haben die Parteien im vorliegenden Verfahren den tatsächlichen und rechtlichen Ungewissheiten des Restitutionsverfahrens Rechnung getragen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 13.12.2005, IX R 14/03