Prof. Dr. Edeltraud Günther, Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Bei Erwerb eines Unternehmens von mehreren Personen zu Miteigentum nach Bruchteilen, haften die Erwerber nach § 75 AO aufgrund der gemeinsamen Tatbestandsverwirklichung als Gesamtschuldner.
Sachverhalt
Im Urteilsfall veräußerte eine GmbH i.L. ihren mit einer Produktionshalle bebauten Grundbesitz sowie weitere bewegliche Gegenstände an 3 Personen zu Miteigentum nach Bruchteilen. Die GmbH hatte die Halle vor der Veräußerung vermietet. Auch die Erwerber vermieteten die Halle an eine GmbH, die eine der beiden Gesellschafter der bisherigen Mieterin war. Das Finanzamt nahm die Miteigentümer durch gleich lautende Haftungsbescheide nach § 75 AO als Betriebsübernehmer in Anspruch. Einer der Miteigentümer legte dagegen Einspruch ein und machte dabei auch Einwendungen gegen die dem Haftungsbescheid zugrunde liegende Umsatzsteuerschuld geltend. Das FG wies die Klage ab und entschied, dass der Steuerpflichtige die Festsetzung der Umsatzsteuer aufgrund der Betriebsübernahme gegen sich gelten lassen müsse.
Der BFH sah dies jedoch anders und wies den Fall an das FG zurück. Er entschied, dass der Steuerpflichtige zwar durch den gemeinsamen Abschluss des Kaufvertrages mit den beiden anderen Käufern den Tatbestand des Erwerbs nach § 75 AOgemeinsam mit diesen erfüllt habe und diese gemeinsame Tatbestandsverwirklichung eine Haftung der Miteigentümer als Gesamtschuldner nach § 44 AO begründe. Allerdings könne der Haftungsschuldner Einwendungen nicht nur gegen die Haftungsschuld, sondern auch gegen die Steuerschuld erheben, für die er als Haftungsschuldner in Anspruch genommen wird. Dies ist nur ausgeschlossen, wenn die Steuerschuld gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar festgesetzt worden ist und der Haftungsschuldner entweder Gesasamtrechtsnachfolger des Steuerschuldners ist oder er rechtlich in der Lage gewesen wäre, den gegen diesen erlassenen Steuerbescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten (§ 166 AO).
Da diese Voraussetzungen nicht vorlagen, wurde der Fall an das FG zurückverwiesen, das sich nun mit den Einwendungen des Steuerpflichtigen gegen die Rechtmäßigkeit er Steuerfestsetzung gegenüber der GmbH auseinandersetzen muss.
Hinweis
Bei der Haftungsinanspruchnahme des Betriebsübernehmers nach § 75 AO sollte also nicht nur die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids, sondern auch die Rechtmäßigkeit der dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Steuerfestsetzung überprüft werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 12.1.2011, XI R 11/08.