Leitsatz

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Umfasst der Begriff der Bauleistungen i.S. v. Art. 2 Nr. 1 der Ermächtigung 2004/290/EG neben Dienstleistungen auch Lieferungen?
  2. Falls sich die Ermächtigung zur Bestimmung des Leistungsempfängers als Steuerschuldner auch auf Lieferungen erstreckt: Ist der ermächtigte Mitgliedstaat berechtigt, die Ermächtigung nur teilweise für bestimmte Untergruppen wie einzelne Arten von Bauleistungen und für Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger auszuüben?
  3. Falls der Mitgliedstaat zu einer Untergruppenbildung berechtigt ist: Bestehen für den Mitgliedstaat Beschränkungen bei der Untergruppenbildung?
  4. Falls der Mitgliedstaat zu einer Untergruppenbildung allgemein (s. oben Frage 2) oder aufgrund nicht beachteter Beschränkungen

(s. oben Frage 3) nicht berechtigt ist:

a) Welche Rechtsfolgen ergeben sich aus einer unzulässigen Untergruppenbildung?

b) Führt eine unzulässige Untergruppenbildung dazu, dass die Vorschrift des nationalen Rechts nur zugunsten einzelner Steuerpflichtiger oder allgemein nicht anzuwenden ist?

 

Sachverhalt

Ein Leistungsempfänger erbringt nach Verwaltungsauffassung selbst Bauleistungen und ist beim Bezug einer Bauleistung daher Steuerschuldner, wenn zumindest 10 % seines "Weltumsatzes" im Vorjahr aus derartigen Bauleistungen bestanden hat. Ob die Klägerin die "10-%-Grenze" überschritten hat, war Ausgangspunkt des Rechtsstreits.

 

Kommentar

Praxishinweis

Abweichend vom Regelfall, wonach stets der Leistende die Umsatzsteuer schuldet, schuldet der Leistungsempfänger die Steuer für Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, ausgenommen Planungs- und Überwachungsleistungen, wenn er selbst solche Leistungen erbringt. Diese Regelung beruht auf der Ermächtigung zur Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens "bei der Erbringung von Bauleistungen an einen Steuerpflichtigen". Diese wurde zwar mit Wirkung zum 1.1.2008 durch eine Regelung zur Umkehr der Steuerschuldnerschaft ersetzt; da die Neuregelung aber weiterhin den Begriff "Bauleistungen" verwenden, hat die Vorlage auch Bedeutung für die Zukunft.

Die Mitgliedstaaten können "als Lieferungen … die Erbringung bestimmter Bauleistungen betrachten." Diese Regelung kann sowohl dahin ausgelegt werden, dass unter Bauleistungen nur (Bau-)Dienstleistungen zu verstehen sind, als auch dahin, dass "Bauleistungen" als Oberbegriff für (Bau-)Lieferungen und Bau(-Dienstleistungen) zu verstehen ist. Zweifel bestehen daher daran, ob das Reverse-Charge-Verfahren nur für Baudienstleistungen (sonstige Leistungen), nicht dagegen für (Werk-)Lieferungen erlaubt ist. Falls auch Lieferungen einbezogen sind, ist weiter zu klären, ob Untergruppen gebildet werden dürfen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 30.06.2011, V R 37/10.

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